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08-02-10
Rubrik: Pressebericht, Aktionen OV
Jüdische Gedankenwelt und die SPD

Im Blauen Haus in Breisach stellte Hans Erler sein Buch "Judentum und Sozialdemokratie" vor / Gut besuchter Vortrag.


Wie die jüdische Gedankenwelt die Gründerväter der deutschen Sozialdemokratie beeinflusste, erläuterte Autor Hans Erler (rechts) in seinem Vortrag. Ulrich Sartorius moderierte die Veranstaltung. Foto: kai kricheldorff

BREISACH. In seinem Buch "Judentum und Sozialdemokratie" geht der Autor Hans Erler der Frage nach, wie jüdische Denktraditionen die Gründung der deutschen Sozialdemokratie vor 140 Jahren inspiriert haben. Im Blauen Haus in Breisach hielt er dazu jetzt auf Einladung des Fördervereins ehemaliges jüdisches Gemeindehaus Breisach den Vortrag "Freiheit, Ungehorsam und Humanität", in dem er seine Analysen zu dieser Fragestellung präsentierte.
Hans Erlers Vater ist der frühere sozialdemokratische Politiker Fritz Erler (1913 – 1967), der in den 60er-Jahren Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion war und vor 50 Jahren zu den Mitautoren des "Godesberger Programms" der Partei gehörte.
2007 hat die SPD auf ihrem Hamburger Parteitag auf Initiative Hans Erlers das Judentum als die erste der geistigen Wurzeln der Sozialdemokratie in ihr neues Grundsatzprogramm aufgenommen. In seinem Vortrag in der Münsterstadt ging der studierte Philosoph ausführlich auf den Zusammenhang von jüdischer Aufklärung und demokratischem Gedankengut ein und argumentierte, dass in ihr der biblische Sündenfall als Glücksfall interpretiert werde und damit der Ungehorsam positiv bewertet werde. Diese, im Kern antiautoritäre, Denkweise stehe im Gegensatz zum christlichen Ansatz, der die Freiheit und Autonomie des Menschen zur Sünde erkläre.
Im christlichen Denkansatz sieht Erler auch einen der Keime für den Antisemitismus und stellte ihn in Beziehung zu den Erkenntnissen von Leo Baeck, dem bedeutendsten jüdischen Religionsphilosophen des 20. Jahrhunderts. Dieser prägte den Begriff von der "Mystik des Lebens", wonach "im hebräischen Judentum das Leben wichtiger, interessanter, verführerischer, bildender als der Tod" sei. Diese Philosophie sei eine der Wurzeln für den im Christentum, im Islam und in anderen Religionen verbreiteten Antijudaismus, so Erler, da diese sich durch das Motto der jüdischen Mystik: "Wer das Leben liebt, verachtet den Gehorsam" in ihrem Selbstverständnis bedroht sahen.

Ungehorsam als roter Faden


Ungehorsam war auch der rote Faden, den Erler in seinem Vortrag in die Gründungsphase der deutschen Sozialdemokratie in den 60er-Jahren des 19. Jahrhunderts weiter spann. Er müsse "als Urmoment und Urmotiv einer demokratisch inspirierten Menschheitsentwicklung" gesehen werden. Beeinflusst von der französischen Revolution habe sich die aus dem jüdischen Denken stammende "Mystik des Lebens" Eingang in die Gedankenwelt über das menschlich-gesellschaftliche Zusammenleben verschafft und "die Kraft des Widerspruchs gegen alles, was nur herrschen und niederzwingen will," wurde zum Sinn sozialdemokratischer Tradition, wie Erler ausführte.
Ausführlich zeigte er auf, dass mit Moses Hess, Karl Marx, Ferdinand Lassalle und Eduard Bernstein jüdische Vordenker in der Gründungsphase der SPD entscheidenden Einfluss auf die Ausrichtung der deutschen Arbeiterbewegung genommen haben. Sie speisten sich im Wesentlichen aus der Gedankenwelt des Judentums, in dem "das Gebot des Menschen, das Gebot: du sollst leben,… vor alle Fragen des Jenseits" tritt.
Judentum und Sozialdemokratie, so befand der Autor und Referent, fänden im Denken und Handeln zu einer harmonischen, wenn auch geschichtlich ständig bedrohten Einheit. Diese Einheit hätte die SPD jedoch über Jahrzehnte verdrängt und nicht anerkannt, deshalb sei es ein wichtiger Vorgang, dass sie sich seit zwei Jahren in ihrem Grundsatzprogramm zu eben diesen Wurzeln bekenne, befand Erler. Dem gut besuchten Vortrag schloss sich eine rege Diskussion an, die der früherer Breisacher SPD-Gemeinderat Ulrich Sartorius moderierte.
Das Buch "Judentum und Sozialdemokratie – Das antiautoritäre Fundament der SPD" (186 Seiten) von Hans Erler ist 2009 im Verlag Königshausen & Neumann erschienen und kann zum Preis von 19,80 über den Buchhandel bezogen werden.


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