WYHL. Jean-Jacques Rettig und Günter Richter wurde am Sonntag in Wyhl der Klaus-Bindner-Zukunftspreis verliehen. Der Förderverein Zukunftsenergien Solarregio Kaiserstuhl würdigt damit das Engagement von zwei Aktivisten gegen das Atomkraftwerk Wyhl und für grüne Energie, die deutsch-französische Freundschaft von unten gelebt haben, wie der Vorsitzende Dieter Ehret bei der Verleihung in der Halle der Firma Schwörer betonte. Der Preis ging auch an Inge Rettig und Ilse Richter, die ihren Männern den Rücken gestärkt und damit das Engagement erst ermöglicht haben, erklärte Ehret.
Erhard Schulz, Vorstandsmitglied des Fördervereins Solarregio, sprach in seiner Laudatio von zwei Wegbegleitern im Kampf gegen die Atomkraft, die eine Bresche für dezentrale, regenerative Energien geschlagen haben. Schulz gab einen Einblick in die bewegte Familiengeschichte von Jean-Jacques Rettig, die durch das Ringen von Deutschland und Frankreich um das Elsass geprägt ist. Rettig habe sich dabei immer bemüht, die eigene Kultur zwischen Deutschland und Frankreich zu bewahren, so Schulz. Die vielen gemeinsamen Besetzungen gegen Atomkraft und Bleichemie diesseits und jenseits des Rheins belege, dass die Erbfeindschaft von gestern sei, meinte Schulz. Die Völkerverständigung von unten hat inzwischen feste Formen: Rettig ist als Initiator des "Comité de sauvegarde de Fessenheim et de la plaine du Rhin" einer der Gründer der Badisch-Elsässischen Bürgerinitiativen im Jahr 1974.
Völkerverständigung von unten
Rettig rief in seinen Worten zur Preisverleihung dazu auf, sich weiter für die gemeinsamen Ziele zu engagieren. Das erste Ziel davon ist das geforderte Ende des Atomkraftwerks Fessenheim.
Den Theologen Günter Richter würdigte Schulz als großen Vermittler. Insbesondere sei es dem damaligen Pfarrer in Weisweil gelungen, die evangelische Landeskirche wie auch die evangelischen Pfarrer in der Region mit ins Boot zu holen, um das Atomkraftwerk Wyhl wie auch massive Polizeieinsätze gegen die Platzbesetzer zu verhindern. Richter, der nun im 80. Lebensjahr steht, engagiere sich immer noch für Gedenkmärsche und ökumenische Gottesdienste gegen Atomkraft und für grüne Energie.
Anfangs sei es ihm weniger um die Atomkraft gegangen, sagte Richter zu seinem Engagement im gewaltlosen Widerstand. Aufgebracht habe ihn die Art und Weise, wie eine arrogante Staatsmacht mit den bodenständigen Menschen am Kaiserstuhl umgegangen sei.
Zum christlichen Auftrag, die Schöpfung zu bewahren, steuerte der deutsche Umweltpreisträger Ernst Ulrich von Weizsäcker einige Gedanken bei. Er geht davon aus, dass – falls die EU es schafft, im Jahr 2020 den Energiebedarf zu 20 Prozent regenerativ zu decken – erst ein kleines Werk gegen den Klimakollaps getan sei. Weizsäcker forderte mehr Energieeffizienz. Wenn diese optimal ausgeschöpft würde, genüge die regenerative Energie, um den Energiebedarf in Europa zu decken, versicherte Weizsäcker. Aber es bedürfe der richtigen Anreize durch die Politik, wie es bei der Förderung der erneuerbaren Energien geschehen sei.
Werben für mehr Energieeffizienz
Auch Wyhls Bürgermeister Joachim Ruth ging auf das Energiesparen ein. So habe Wyhl seine öffentlichen Gebäude bis auf die Sporthalle auch energetisch saniert und plane, die öffentlichen Gebäude durch Fernwärme einer Biogasanlage heizen zu lassen. Er zählte eine Reihe kleiner Schritte zum Stromsparen auf, die zum Nachahmen anregen sollen.
Der Grünen-Abgeordnete Alexander Schoch sprach für die Bundestags- und Landtagsabgeordneten des Wahlkreises. Die Ehrung der beiden Pioniere für bürgerschaftliches Engagement solle eine Botschaft nach Berlin und Paris sein, dass mehr Unterstützung für grüne Energie und das Abschalten von Fessenheim nötig seien, erklärte Schoch. Er erinnerte daran, dass der EnBW noch 17 Prozent des Atommeilers in Fessenheim gehört. Die grün-rote Landesregierung bemühe sich zwar, die Beteiligung loszuwerden, das sei aber nicht leicht, so Schoch.
Andreas Schlumberger, Sprecher des Preis-Sponsors und Solartechnikherstellers Kaco New Energy, machte auf einen Begriffswandel aufmerksam. Inzwischen gehöre laut Äußerungen der Politik selbst das Bremsen beim Ausbau der grünen Energie zur Energiewende. Das mache ihn als Vertreter einer Branche, die vom Ausbau der Solarenergie lebt, natürlich nicht glücklich, so Schlumberger. Er rief die Engagierten für den Ausbau regenerativer Energien auf, sich Begriffe wie Energiewende nicht wegnehmen zu lassen.
Förderverein Solarregio
Am 4. Oktober 2001 wurde in Wyhl am Kaiserstuhl von 27 Gründungsmitgliedern der parteiunabhängige, ehrenamtlich und ohne Vergütung arbeitende "Klimaschutzverein" Förderverein Zukunftsenergien, Solarregio Kaiserstuhl e.V. gegründet. Er hat sich zum Ziel gesetzt, Klimaschutz und Ressourcenschonung vom Bürger aus zu organisieren und die Energiewende von unten ins Solarzeitalter mitzugestalten. Aktuell hat der Verein knapp 240 Mitglieder. Seit 2006 lobt der Verein jährlich den Zukunftspreis aus, seit 2007 benannt nach dem Gründer des Vereins, Klaus Bindner, der im selben Jahr tödlich verunglückte. Infos auch unter www.solarregio.de