Die Pläne von Staatspräsident Hollande für die Stilllegung des Akw Fessenheim geraten in Verzug. Der Grund: Bis heute hat er keinen rechtlich gangbaren Weg gefunden, sein Versprechen einzulösen.
In Frankreich gibt es neue Spekulationen über die Zukunft des Atomkraftwerks im elsässischen Fessenheim. Nach einem Bericht der Tageszeitung "Le Monde" sei es "sicher", dass die beiden Blöcke am Rhein nicht vor 2017 heruntergefahren werden. Damit würde Staatspräsident François Hollande sein vor der Wahl gegebenes Versprechen nicht einlösen.
Hintergrund ist laut Le Monde, dass Hollande bis heute keinen rechtlich gangbaren Weg gefunden hat, um seine Zusage einzulösen. Hollande hatte darauf gebaut, das Akw mit Sicherheitsgründen stilllegen zu können. An diesem Punkt haben ihm die staatlichen Überwachungsgremien einen Strich durch die Rechnung gemacht. Sie haben die Betriebsgenehmigung verlängert, wenngleich unter Auflagen. Der Betreiber will das Kraftwerk entsprechend nachrüsten.
Hollandes Berater versuchen nun, eine Zusatzbestimmung in das Energiegesetz einzubringen, das derzeit beraten wird. Der Passus soll die Regierung ausdrücklich ermächtigen, Kernreaktoren aus "energiepolitischen Gründen" stillzulegen. Die Bestimmung muss aber noch von der Regierung präsentiert und vom Parlament beschlossen werden.
Langwierige Verhandlungen
Dieses parlamentarische Verfahren wird Monate dauern – und Regierungsvertreter erwarten im Anschluss langjährige rechtliche Auseinandersetzungen. Denn der Betreiber, die Electricité de France (EdF), lehnt eine vorzeitige Stilllegung strikt ab. EdF gehört zwar zu 85 Prozent dem Staat, doch das Unternehmen hat bereits angekündigt, man werde eine Entschädigung in Höhe von bis zu acht Milliarden Euro für den entgangenen Gewinn fordern – angesichts der angespannten Haushaltslage für die Regierung Hollande ein Ausschlusskriterium.
Zumindest wären langwierige Verhandlungen erforderlich. "Man muss mit fünf Jahren rechnen", erklärte Pierre-Frank Chevet von der französischen Atomsicherheit (ASN) gegenüber Le Monde. Das würde bedeuten, dass die Gespräche nicht mehr in der fünfjährigen Amtszeit des 2012 gewählten Präsidenten abgeschlossen werden würden. Der von Hollande eingesetzte Koordinator der Schließung von Fessenheim, Francis Rol-Tanguy, hält die Verkürzung dieser Frist auf "vier Jahre" für möglich.
Widerstand gegen Schließung wächst
In Frankreich wächst der Widerstand gegen die Schließung von Fessenheim. Im April demonstrierten mehrere hundert Lokalpolitiker, Fessenheim-Mitarbeiter und Atomkraftbefürworter für die Verlängerung der Laufzeit der beiden Reaktoren um 20 Jahre. Zuvor hatten Angestellte von EdF Rol-Tanguy den Zutritt zum Akw-Gelände in Fessenheim verweigert. Ende Juni lehnte der Staatsrat in Paris zudem die Forderung des trinationalen Atomschutzverbandes Tras auf Schließung von Fessenheim ab. Die Sicherheit der beiden Reaktoren sei nicht gefährdet, argumentierte das Gremium.
Trotz dieses Urteils und aller politischen Widerstände in Paris hält Tras-Präsident Jürg Stöcklin eine Schließung von Fessenheim noch in Hollandes Amtszeit für denkbar. Bei einem Gespräch in Paris habe Rol-Tanguy unlängst diese Absicht bekräftigt. Die Schadenersatzforderungen der EdF seien auch dazu da, öffentlich die Verhandlungsposition zu untermauern. Aber auch bei dem Stromkonzern habe sich die Einsicht breitgemacht, dass sich Frankreich aus der vollkommenen Abhängigkeit von der Atomkraft lösen müsse. Der Konzern komme nicht umhin, seine 50 Reaktoren in den kommenden Jahren zu ersetzen. Ein geordneter Umstieg und eine Stromversorgung auf breiterer Basis seien nur möglich, wenn nach und nach einzelne Reaktoren abgeschaltet würden. Die Regierung wolle derzeit die dafür nötige rechtliche Grundlage schaffen.
Aus Protest gegen die laschen Sicherheitsmaßnahmen waren am Montag Greenpeace-Aktivisten auf das Gelände des südfranzösischen Akw von Tricastin eingedrungen. Die Polizei nahm 29 Leute vorübergehend fest.
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Online Kommentare:
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Ammar Ulabi™: 19. Juli 2013 - 10:26 Uhr
Kein Wunder, dass die alle sich so schwer tun mit Stillegungen und Umdenkungsprozessen. Der Wind weht nämlich wieder ins ganz andere Richtungen, zumindest wenn es um Neubauten geht:
www.handelsblatt.com/politik/deutschland/medienbericht-eu-will-zurueck-zur-atomkraft/8519210.html
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Michael Berner: 19. Juli 2013 - 12:25 Uhr
Wenn man denn auch eine Umlage für die Atomkraft einführen würde, könnte sich das Blatt sehr schnell drehen. Wenn der Verbraucher beim Strombezug wählen kann zwischen Ökostrom oder Atomstrom und diese zu bezahlende Umlage dann wirklich nur dieser Herstellungsart zugute käme, würde man von den Gesamtkosten des Atoms überrascht... welchen Strom der Verbraucher dann Bezöge scheint absehbar zu sein.
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Heiner Dubois: 19. Juli 2013 - 14:34 Uhr
Warum wundert mich diese Meldung jetzt so überhaupt gar nicht?
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Rainer Schwarz: 19. Juli 2013 - 20:52 Uhr
Wie hat es doch so schön geheißen, seinerzeit bei den Antifas? "Wahlen ändern nichts, sonst wären sie verboten". Jetzt dürfen Sie dreimal raten, warum man uns diese Wahlfreiheit, für die Sie hier Herr Berner plädieren, bis dato vorenthält... :hmmm:
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Peter Scholl: 19. Juli 2013 - 21:21 Uhr
" Die Kosten der Atomkraft würden in den Szenarien aus Brüssel "systematisch" unterschätzt, die der erneuerbaren Energien hingegen deutlich überschätzt, heißt es in einer am Mittwoch in Berlin veröffentlichten Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). " ... wie Recht die Fachleute doch haben !
... im Gegensatz zu ein paar selbsternannten Atomkraftexperten !
www.zeit.de/news/2013-07/17/d-diw-eu-plan-benachteiligt-erneuerbare-gegenueber-atomenergie-17111005
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Michael Berner: 19. Juli 2013 - 21:28 Uhr
Klären Sie mich bitte auf, Herr Schwarz. Ich komme nicht drauf, was Sie meinen.
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Rainer Schwarz: 19. Juli 2013 - 22:29 Uhr
Aber gerne doch, Herr Berner. Drehen Sie den Antifa-Spruch doch mal um: "Wahlen, die was ändern könnten, gehören verboten". So geschehen z.B. im Falle der "Energiewende", wo es ja keine Volksabstimmung o.ä. hierzu geben darf und so geschieht es tagtäglich hierzulande, damit wir eben nicht die Wahlmöglichkeit bekommen z.B. zwischen Öko- und Kohlestrom.
Tja, und da wo man das notwendige Verbot verpennt, droht u.U. ein Malheur wie bei Greentec-Awards: www.facebook.com/GreentecSkandal . Deshalb wird Ihr Ruf nach der freien Wahl der Stromquelle - den ich übrigens vorbehaltlos unterstützen würde - in der kosmischen Hintergrundstrahlung aufgehen...
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Peter Scholl: 19. Juli 2013 - 22:41 Uhr
Die Antwort geht am Thema vorbei Herr Schwarz. Setzen, Sechs.
Es geht um die Wahlmöglichkeit zwischen Ökostrom und Atomstrom,
dieser natürlich mit ALLEN Kosten eingerechnet (Entsorgung, Zwischen- und Endlagerung, Abbau der AKW's u.s.w.)
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Michael Riedle: 19. Juli 2013 - 23:07 Uhr
Aber Herr Scholl, von so etwas wie Endlagerkosten möchten die Stahlemänner nichts hören, mal abgesehen davon, dass es noch keines gibt. Aus den Augen aus dem Sinn, einfach verbuddeln. Von dem Thema Versicherung gegen GAU möchte ich mal gar nicht sprechen. Die Versicherung die bereit ist das Risiko zu übernehmen muss wohl erst noch gegründet werden.
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Rainer Schwarz: 20. Juli 2013 - 08:54 Uhr
@Michael Riedle
"Aus den Augen aus dem Sinn" - ja, genauso geschehen beim Greentec-Awards-Skandal www.science-skeptical.de/energieerzeugung/greentec-awards-macher-stemmen-sich-gegen-online-voting/0010190 . Eine Technologie, die den ganzen Atommüll beseitigt (auch den aus den Atomwaffen - die Abrüstungsinitiative von Obama lässt grüßen!) und das mit hohem energetischem Gewinn, ein Endlager überflüssig macht etc. gehört eben "Aus den Augen aus dem Sinn". Das vermeintlich "ungelöste Atommüllproblem", "fehlendes Endlager" etc. sind schlicht die Lebenslügen der A-A-Bewegung schlechthin!
Und die Versicherung der Atomkraft hatten wir doch schon oft genug - schauen Sie z.B. hier www.badische-zeitung.de/leitartikel-aus-der-haftung insbesondere auf die beiden Leserkommentare. Auch das ist so ein A-A-Märchen, das bei noch so häufigem Wiederholen dennoch nur eines bleiben wird: ein Märchen!
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Georg Ruch: 20. Juli 2013 - 10:05 Uhr
Thema:
"Akw Fessenheim: Der Termin für die Stilllegung wackelt"
Unterhaltung:
Deutscher Atomausstieg und Endlagerung und Kosten.....
@Herrn Schwarz,
was halten Sie von der Sicherheits-Situation des französischen Atomkraftwerkes Fessenheim? Sollte es (und im Moment geht es nur um "es") abgeschaltet werden?
Wenn Sie zu einem "NEIN" kommen, wäre ich für eine Begründung sehr dankbar!
PS: Die deutsche Entscheidung steht doch schon, oder hab ich da was nicht mitbekommen? Ich vernahm sogar so deutlich mehrheitlich, dass eine bundesweite Bürgerbefragung überflüssig schien.
Aber man kann ja über Petition noch mal einen Neu-Anfang machen, oder über die Wahl der "etwas anderen Partei"? Welche?
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Rainer Schwarz: 20. Juli 2013 - 12:19 Uhr
Lieber Herr Ruch,
da Sie zu Fessenheim sehr grundsätzliche Fragen an mich richten, werde ich Ihnen diese baldmöglichst entsprechend fundiert beantworten; jetzt nur kurz zu Ihrem PS und dann muss ich aber weg (Familienausflug ins Elsass ;-)):
Ich weiß natürlich, dass diese Fragen hier total offtopic sind. Ich fand aber den Gedanken, den Herr Berner entwickelt hat, so interessant, dass ich darauf eingehen musste. Hier sind in der Tat Fragen der Demokratie im Zusammenhang mit der sog. "Energiewende" berührt. Sie sagen selber, dass eine Volksabstimmung hierzu überflüssig "schien". Das schien den Greentec'lern im Falle des DFR auch und das Resultat kennen wir inzwischen (http://dual-fluid-reaktor.de/eigenes/stellungnahme-denominierung ). Und bei einer Volksabstimmung zur Energiewende - das hat Altmaier unlängst zugegeben - bestand nun mal die Gefahr einer starken Polarisierung, ja gar Spaltung der Gesellschaft, da sich ein denkbar knappes Votum für oder gegen abzeichnete. Wie dieses Votum jetzt, nachdem sich die geistige Umnachtung um uns herum allmählich gelichtet hat, denn wohl ausfallen würde :?!
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Thorsten Funk: 20. Juli 2013 - 16:32 Uhr
Herr Schwarz,
ich erinnere mich an eine Meldung dieser Tage,
dass man Betroffenen um Fukushima (in besagtem Fall Haus-/Grundstückseigner)
"anbietet", ihr Eigentum zum "Zeitwert" zu "übernehmen"!
In der Praxis "reicht" das Geld scheffeln auf der einen Seite dann nicht einmal zu einer "Entschädigung" auf der anderen Seite, die nicht entwürdigend ist.
Vor ähnlichen Hintergründen reduzieren sich Ihre oft ellenlangen Thesen auf blanken theoretischen Zynismus. Vielleicht sollten Sie mit Ihren gerne wiederholten "Lebenslügen"-Unterstellungen etwas behutsamer umgehen.
Schönen Tag noch im Elsass...
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Gustav Rosa: 20. Juli 2013 - 17:15 Uhr
Leute, Leute! Es geht hier um das älteste und marodeste AKW Frankreichs, das vor unserer Haustüre steht und die Mitte Europas bedroht. Also bitte kein Kleinkrieg von Einzelideologen, deren Meinung wir aus den Kommentaren der letzten Jahre nun schon zur Genüge kennen.
Die Atomlobby hält zusammen - vor allem in Frankreich - und wir, die betroffene Bevölkerung sollten dem etwas entgegen setzen.
Die Gedenkveranstaltungen und Feierlichkeiten "40 Jahre seit Wyhl", die in dieser Woche sogar zu zweifacher Berichterstattung in "unserem Dritten" geführt haben, zeigen, dass nur eine geschlossene und entschlossene Haltung der ansässigen Bevölkerung dazu führen kann, solche historische Entscheidungen zu beeinflussen.
Davon sind wir heute, befürchte ich, leider noch viel zu weit entfernt. Da helfen auch die vielen und großmundigen Versprechen aus der Politik nicht wirklich weiter. Wie lautete das vor 40 Jahren vom ganzen Kaiserstuhl bis zu den Vogesen: "Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv!"
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Peter Scholl: 20. Juli 2013 - 17:46 Uhr
Die Betreiberfirma des AKW Fukushima, Tepco, hat endlich zugegeben dass 2.000 Mitarbeiter radiaktiv verstrahlt sind und nicht nur 200 Mitarbeiter. Während dort die Menschen verzweifelt um die Sicherung des havarierten AKW kämpfen verbringen hier die Befürworter von AKW's einen schönen Nachmittag im Elsass anstatt dort ihren Jahresurlaub zu verbringen um dieses AKW zu sichern !