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30-03-15
Rubrik: Pressebericht, Fessenheim, Anti-Atom
"Mal richtig auf den Putz hauen!"

Gegen Atomkraft, Vergewaltigung oder die Eltern: Drei Freiburger Frauen erzählen, welche Kraft ein Nein haben kann.


Anna Haag Foto: Huege

Nein! Nee... Nö. Nai! Klar zu machen, dass man etwas nicht will, funktioniert in vielen Varianten. Mal streng, mal genervt, mal flapsig – oder voller selbstbewusstem Widerstandswillen. In ihrer Eindeutigkeit sind aber alle Verweigerungsformeln gleich. So können diese kleinen Wörter Großes bewirken. Drei Frauen aus Freiburg und Umgebung haben in verschiedensten Situationen "Nein!" gesagt.

Anna Haag demonstrierte gegen das Akw in Wyhl. Der Aufschrei von Traute Hensch wegen Massenvergewaltigungen im ehemaligen Jugoslawien löste Anfang der 90er-Jahre eine Lawine an Protesten aus. Die freie Historikerin Birgit Heidtke kämpft um den Platz starker Frauen in der Geschichtsschreibung. Die Frauen trafen sich zu einem Gesprächsabend der Evangelischen Frauen Baden in Freiburg. So unterschiedlich sie sind, sind sie sich doch einig: Frauen sollten öfter Nein sagen.

ANNA HAAG


Mit 21 Jahren steht Anna Haag im Schlamm auf dem Bauplatz in Wyhl, in der Tragetasche ihr gerade geborener Sohn. Hier soll es also einmal stehen, das Atomkraftwerk. "Ich stand damals unter Schock. Es war ja alles unklar: Ist das harmlos? Oder werden wir verstrahlt?", erinnert sich die heute 61-Jährige aus Weisweil. Ministerpräsident Filbinger hatte zwei Jahre zuvor seine Vision vom "zweiten Ruhrgebiet" verkündet: Tausende Arbeitsplätze sollen in einer Industriezone am Rhein entstehen. Hotspot der neuen Atomenergie: Wyhl im nördlichen Kaiserstuhl.

Schnell formiert sich Widerstand. Die Demonstranten – Bauern, Winzerinnen, Studenten – sind Anwohner. In der ersten Reihe dabei: die Frauen. "Unter den ersten, die auf einen Bagger stiegen, war eine Frau. Sie war schwanger", erinnert sich die zierliche Frau mit den kurzen Haaren an die Aktionen, die die Bauarbeiten stoppen. Auch sie ist regelmäßig auf dem neun Monate lang besetzten Bauplatz. Mit dem kleinen Sohn oder ohne. Was sie anfangs antreibt, ist das Beharren der Regierung, dass Atomkraft "total harmlos" sei, erklärt Anna Haag. "Für mich war klar: Da ist was faul."

Im Februar 1975 eskaliert die Situation, die Polizei geht mit Wasserwerfern gegen die Platzbesetzer vor. In der ersten Reihe auch damals: Frauen. Sie sollen für eine Entschärfung der Lage sorgen. Viel hilft es nicht. "Die Brutalität von Regierungsseite hat mich entsetzt", erinnert sich Haag. Auch heute noch wühlt es sie auf, ihr Stimme wird energischer, je mehr sie erzählt – und der alemannische Dialekt stärker. "Nai hämmer gsait!", der Slogan verdeutlicht die Haltung einer ganzen Region.

"Ich hab’ das Bild noch im Kopf, wie diese brave Hüsmütterin, ungefähr 70, mit Kopftuch, der Gesundheitsministerin den Marsch bläst", erinnert sich Anna Haag. Wenn die so viel Mut hat, kann ich das auch, habe sie sich damals gedacht. So hat sie mit ihrem Protest auf dem Bauplatz energisch "Nai gsait". Auch wenn sie sich selbst rückblickend eher als "stille Besetzerin" sieht. Später nimmt sie an Friedensmärschen teil, protestiert gegen Gorleben und Fessenheim und organisiert seit dem Super-GAU in Fukushima einmal monatlich eine Mahnwache. Eines aber stört Anna Haag noch heute: "Oft wurden wir Frauen von Wyhl als die Mütterchen vom Herd hingestellt, die die Männer nur bekocht haben." Um das zu widerlegen, will sie die Geschichte der Wyhler Frauen erzählen. Sie muss sich beeilen, denn: "Die Zeitzeuginnen sterben uns unter der Hand weg."

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