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12-01-15
Rubrik: Pressebericht, Fessenheim
Kundgebung in Fessenheim

Atomkraftgegner halten am Protest fest


Französischer Protest gegen Terror und Nuklearkraft zugleich. Foto: Rainer Ruther

Mit ihrem traditionellen Jahresauftakt-Konzert haben die Anti-Atom-Bewegungen aus dem Elsass und Baden am Sonntag ihren Widerstand gegen das Atomkraftwerk Fessenheim fortgesetzt. Im Raum steht weiterhin die Zusage von Präsident Francois Hollande, das Werk bis zum Ende seiner Amtszeit 2017 abzuschalten; konkret hat sich bisher allerdings kaum etwas getan. Ein Problem hatten die Organisatoren mit dem Datum bekommen: Der 11. Januar war in Frankreich unvermutet zu einem Tag gegen den Terror und für die Republik geworden.

"C’est une honte – das ist eine Schande." Der Mann vorm Fessenheimer Rathaus kann sich gar nicht beruhigen. "Sowas heute zu machen, das ist absolut unmöglich." Er meint die Kundgebung der Atomkraftgegner beim Maison des Energies am Rhein. Wenn deutsche Anti-Akw-Demonstranten schon normalerweise nicht gern gesehen sind im Ort, so haben sie sich an diesem Sonntag offenbar eines besonderen Sakrilegs schuldig gemacht: Am Tag der nationalen Einheit, am Tag der republikanischen Märsche gegen Terror und Gewalt in Paris und anderswo mit Millionen Teilnehmern, treffen sie sich, um für die Abschaltung des Akw Fessenheim zu demonstrieren.

Die Lage auf dem Parkplatz am Fessenheimer Wasserkraftwerk ist übersichtlich, zu Kundgebungsbeginn verlieren sich hier 200 bis 300 Menschen. Sie haben eine Art Feldlager aufgebaut, mit Holzkohlebecken, Lagerfeuern und einem Stand mit Essen und warmen Getränken, der sich regen Zuspruchs erfreut: Über den Platz fegt ein kalter Wind, immer wieder kommen Schauer herunter. Die Organisatoren wissen seit ein paar Tagen, was für ein sensibles Datum sie sich für ihr Neujahrstreffen mit Musik ausgesucht hatten, als noch niemand an die Terroranschläge denken konnte. Die Teilnehmer wissen das auch: An einigen der Stände finden sich kleine Schilder "Je suis Charlie", und einer der wenigen Franzosen unter den deutschen Demonstranten trägt die Titelseite eines Sonderheftes von "Charlie Hebdo" zum Thema "Der nukleare Betrug" auf der Brust.

"Wissen Sie, Monsieur, die Redaktion von Charlie Hebdo war stark gegen die Atomlobby und gegen die Atomenergie eingestellt; sie hätten es gern gehabt, dass Protest gegen Fessenheim auch unter diesen Umständen gezeigt wird." Das sagt Jean-Jacques Rettig, der die grenzüberschreitende Bürgerinitiative CSFR (Comité pour la Sauvegarde de Fessenheim et la plaine du Rhin) gegründet hat und ein Aktivist in der Anti-Atomszene ist. Auf dem Plakat, das er trägt, ist zu lesen: "Je suis Charlie. Je suis Tschernobyl, je suis Fukushima. Je ne veux pas que Fessenheim soit sur la liste". Fessenheim solle sich nicht als Katastrophe zu Tschernobyl und Fukushima einreihen; die Verbindung zu den Mordanschlägen dürfte sich vielen Landsleuten nicht erschließen.

Warum die Veranstaltung nicht abgesagt wurde angesichts der Ereignisse und der Tatsache, dass offenbar eine Reihe von Aktivisten lieber nach Mulhouse und Straßburg gefahren ist, um dort an den Märschen für die Republik teilzunehmen? Dora Pfeifer-Suger von den Grünen aus Müllheim und Kreistagsabgeordnete, hat eine Antwort: Absagen wäre doch ein Signal an die Terroristen gewesen, weil sie dann ihr Ziel erreicht hätten, sagt sie. In Frankreich wurden am Sonntag allerdings Tausende von Veranstaltungen abgesagt aus Respekt vor den Opfern der Terroranschläge. Trotzdem ist das Land nicht vor dem Terror eingeknickt.

Doch stand eine Absage der Veranstaltung nie zur Diskussion, das betonen auch Rettig und Ulrich Rodewald, die die Kundgebung mit einer Schweigeminute für die Toten des Terrors in Paris einleiten. Rodewald vom Friedensrat Markgräflerland zieht eine Parallele zwischen der Reaktion auf die Anschläge von Paris und die Aktion des Anti-Fessenheim-Bündnisses: "Wir stehen in der Verantwortung für eine Welt in Frieden", sagt er und erinnert an die Folgen der Gewalt und die betroffenen Menschen in Afghanistan, Mali und der Ukraine: "Wir trauern auch um die Opfer gewalttätiger Politik, die Gewalt hervorbringt". Und Rettig betrauert die Toten, die an "Indoktrination" gestorben sind. "Wir hier am Oberrhein sind auch Geiseln einer falschen Politik", ruft er und berichtet, wie er dabei war, als während des Algerienkrieges die schwer bewachte Präfektur von Algier in die Luft gesprengt wurde. "Unser Problem ist, dass wir mit Fessenheim in einer doppelten Gefahr stecken: Das Akw kann leicht Ziel eines Anschlags werden, aber es kann auch ohne Terroranschlag in die Luft gehen". Er schließt seine Ansprache mit einem Gedenken an alle Menschen, ob Zivilisten oder Militärs, die durch nukleare Einwirkung ums Leben gekommen sind. Angesichts der politischen Entwicklungen der vergangenen Tage in Frankreich wird die Frage nach der Zukunft alter Atomkraftwerke erst einmal in den Hintergrund treten; die Anti-Atomkraft-Bewegung hat eine harte Zeit vor sich.

Info: "Tag der Wahrheit" heißt ein Fernsehkrimi über einen fiktiven Überfall auf das Akw "Haut Rhin" (eigentlich geht es um das Akw Fessenheim), der am Mittwoch, 14. Januar, 20.15 Uhr, in der ARD zu sehen ist.

Online Kommentare:
Die veröffentlichten Kommentare geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Gustav Rosa: 13. Januar 2015 - 01:12 Uhr

    Im Gegensatz zu Einzelpersonen, die sich in Fessenheim über unsere Aktion aufgeregt haben sollen, wurde bei "Widerstand in Concert" ausgiebig über die Terroranschläge von Paris gesprochen und in einer Gedenkminute an die Opfer gedacht. Nach jahrelangem friedlichen und gewaltfreien Protest wurde ein Mal mehr ein Zeichen gesetzt, das bestimmt auch im Sinne von Charlie Hebdo gewesen sein dürfte.
    Wer fordert, so eine ernste Veranstaltung abzusagen, der hat die Brisanz der Thematik AKW Fessenheim immer noch nicht begriffen. Dem kann ich nur empfehlen, der Info vom Ende dieses Presseberichtes zu folgen. Der TV-Thriller "Tag der Wahrheit" wurde letzte Woche schon auf ARTE auch in französischer Sprache ausgestrahlt.

Andreas Müller: 13. Januar 2015 - 13:29 Uhr

    Da werden also die schrecklichen Ereignisse von Paris bemüht, um das eigene Süppchen zu kochen.

    "C’est une honte – das ist eine Schande."

    Dem ist nichts hinzuzufügen.


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