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18-10-12

Bestandsaufnahme

Fessenheim: Studie belegt gravierende Sicherheitsmängel


Sicherheitstechnische Systeme sind in Fessenheim sogar überflutungsgefährdet. Foto: AFP

Das baden-württembergische Umweltministerium hat ein Gutachten zum Sicherheitsstandard der beiden Atomkraftwerke in Fessenheim und Beznau vorgelegt. Die Ergebnisse sind nicht überraschend, aber dennoch alarmierend.

Die Experten des Öko-Instituts und des Physikerbüros Bremen kommen zu dem Ergebnis, dass beide Anlagen in den fünf untersuchten Bereichen - Erdbeben, Überflutung, Brennelement-Lagerbecken, elektrische Energieversorgung und Kühlwasserversorgung - wesentliche sicherheitstechnische Schwachstellen haben (Gutachten als pdf-Datei). Beide Anlagen gehören zu den ältesten Europas und liegen in unmittelbarer Grenznähe zu Baden-Württemberg.

"Die grundlegenden Schwächen aus einem Design der 1960er und 1970er Jahre lassen sich auch mit Nachrüstungen nicht beheben" Franz Untersteller
Für die Untersuchung stützten sich die beiden Büros vor allem auf die Unterlagen, die Betreiber und Aufsichtsbehörden der beiden Anlagen im Rahmen des EU-Stresstests erstellt und veröffentlicht haben. Daneben nutzten sie weitere öffentlich zugängliche Informationen wie beispielsweise Ergebnisse der periodischen Sicherheitsüberprüfungen der Reaktoren. Die vorliegenden Informationen wurden nach deutschem Maßstab bewertet, da die EU keinerlei Sicherheitsmaßstäbe vorgab.

Umweltminister Franz Untersteller zeigte sich von den Ergebnissen der Gutachter zwar nicht überrascht, aber dennoch alarmiert: "Unsere Befürchtung, dass Fessenheim und Beznau nicht die erforderlichen Sicherheitsstandards erfüllen, hat sich bestätigt. Beide Kraftwerke liegen in den meisten relevanten Bereichen hinter dem Sicherheitsstatus deutscher Anlagen zurück - zum Teil selbst derjenigen, die wir nach Fukushima aus Sicherheitsgründen abgeschaltet haben."

Die Anlage in Fessenheim sei zum Beispiel nur gegen ein 10.000-jährliches Erdbeben ausgelegt, deutsche Anlagen gegen ein 100.000-jährliches. Die ausgewiesenen Schutzhöhen des Atomkraftwerks Fessenheim bei Überflutungsereignissen seien gegenüber deutschen Anlagen eher gering, zentrale sicherheitstechnische Systeme seien wegen ihres Standorts auf einem Niveau weit unterhalb des Rheinseitenkanals sogar überflutungsgefährdet.

Bei der Notstromversorgung seien deutsche Anlagen gegenüber Fessenheim wegen des höheren Redundanzgrades ebenfalls deutlich besser auf Probleme vorbereitet. Ähnliche Auslegungsschwächen ergebe die Untersuchung für das Schweizer Atomkraftwerk in Beznau, erklärte Untersteller.

Zwar seien in beiden Anlagen bereits Nachbesserungen geplant, an der Gesamtbeurteilung, dass es sich insbesondere bei Fessenheim um eine sicherheitstechnisch unzureichende Anlage handle, ändere sich dadurch aber nichts. "Die grundlegenden Schwächen aus einem Design der 1960er und 1970er Jahre lassen sich auch mit Nachrüstungen nicht beheben."

Untersteller bemängelte in diesem Zusammenhang ausdrücklich den EU-Stresstest, dessen Ergebnisse erst vor wenigen Tagen vorgestellt worden seien: "Das war zwar ein begrüßenswerter erster Schritt auf einem Weg zu europaweit einheitlichen Sicherheitsstandards. Aber die Aussagekraft des EU-Stresstests ist doch sehr begrenzt. Eine Bewertung des Sicherheitsniveaus einzelner Anlagen ist damit nicht möglich."

"Fessenheim", so Franz Untersteller abschließend, "gehört nach den vorliegenden Ergebnissen unseres Gutachtens mehr denn je zum frühestmöglichen Zeitpunkt abgeschaltet. 2016, wie von der französischen Regierung geplant, ist mir zu spät. Das würde ich gerne vor Ort mit den Verantwortlichen in der Regierung besprechen."

Das Gutachten ist den Regierungen in Frankreich, der Schweiz und Deutschland zugeschickt worden.

Online Kommentare:
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Ammar Ulabi™: 18. Oktober 2012 - 13:09 Uhr

Für die Untersuchung stützten sich die beiden Büros vor allem auf die Unterlagen, die Betreiber und Aufsichtsbehörden der beiden Anlagen im Rahmen des EU-Stresstests erstellt und veröffentlicht haben. Daneben nutzten sie weitere öffentlich zugängliche Informationen wie beispielsweise Ergebnisse der periodischen Sicherheitsüberprüfungen der Reaktoren.

Moment mal bitte: Demnach wurden nicht die Anlagen selbst jeweils vor Ort, dafür lediglich (veraltete?) Unterlagen und Dokumente - also Papier - geprüft ?? Inwieweit diese "evennnnntuell" Fehler oder Beschönigungen enthalten, bleibt also demnach ungeprüft ??

Sorry, aber auch als entschiedener Atomkraftwerkegegner halte ich das für minder seriös. Eine korrekte, authentische und belastbare Prüfung kann nur von "Null" an beginnen, indem man sich vor Ort und körperlich von - wie heißt es immer so schön: "...dem Zustand des Ziehungsgerätes und der 49 Kugeln" ÜBERZEUGT !!

Aber so mache ich das künftig jetzt auch:
Ich fahre mein Auto nicht mehr physisch beim TÜV vor sondern bringe diesem lediglich irgendwelche Zettel, auf denen "Scheckheft", "Werkstattrechnung", "Kfz-Schein" usw. auf deren Deckblättern und in deren Überschriften stehen.

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Peter Matulla: 18. Oktober 2012 - 13:14 Uhr

"Die Anlage in Fessenheim sei zum Beispiel nur gegen ein 10.000-jährliches Erdbeben ausgelegt, deutsche Anlagen gegen ein 100.000-jährliches."
100.000-jährlich? So lange wird schon gemessen?
Oder ist das Rechtfertigung aus dem Glauben.

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Heiko Rudolph: 18. Oktober 2012 - 13:37 Uhr

Will man mit einer solchen Meldung, welche schon gefühlte hundertmal oder sinngemäß ähnlich gemeldet, von den in Deutschland explodierenden Strompreisen ablenken?
www.ftd.de/unternehmen/industrie/:erneuerbare-energien-gesetz-netzgebuehren-treiben-strompreis-noch-hoeher/70105852.html

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Sabrina Müller: 18. Oktober 2012 - 15:31 Uhr

Explosion und Strom in einem Satz, sie sprechen/schreiben doch auch gerade über Fessenheim Herr Rudolph, oder??? ;-)

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Thorsten Funk: 18. Oktober 2012 - 19:33 Uhr

Hallo Herr Ulabi,
da stimme ich Ihnen völlig zu, dass es unzureichend und unbefriedigend ist, wenn "nach Aktenlage" geprüft wird. Der größere Skandal ist noch der, dass dies weitläufig auch auf den kürzlich vorgestellten Stresstest zutrifft. Dort wollte man uns europaweit "Beruhigungspillen" verabreichen. Natürlich mit dem "Vorab-Resultat", das herauskommen sollte, durfte, musste, dass natürlich kein AKW unmittelbar abgeschaltet werden müsse. Völlig klar - da wir es u.a. ja bestens im Griff haben, dass kein Flugzeug auf diese Anlagen abstürzt (dazu braucht es keinen Terrorangriff, ein ungewollter Absturz würde genügen). Ich staune darüber, wie schnell diverse Lobbykreise erfolgreich darin sind, die Bevölkerung in (be)trügerischer Sicherheit zu wiegen. Das sollten sich die Menschen nicht bieten lassen. Sich nicht mit Ersatz-Debatten über Energie-Verteuerung - gezielt - ablenken lassen, sondern den Finger weiter gezielt in die AKW-Wunden legen!

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Gustav Rosa: 18. Oktober 2012 - 20:53 Uhr

Stuttgart tut das, was die Protestbewegung schon lange anmahnt: Sie versucht die Stilllegung der tickenden Zeitbomben am Oberrhein zu beschleunigen, indem sie die (bescheidenen) Mittel, die ihr zur Verfügung stehen, einsetzt. Vielleicht trägt das zu dem angestrebten Stimmungswandel bei unseren Nachbarn bei. Das Hochtreiben der Strompreise in Deutschland tut das mit Sicherheit nicht!
Ich persönlich vermisse den breiten Einsatz unserer Lokalpolitiker. Wenn ein badischer Bürgermeister der Atomlobby im elsässischen Rustenhart die Stange hält, ist das traurig und ein Schritt zurück in den Bestrebungen, unser Dreyeckland atomkraftfrei zu machen.


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