MÜLLHEIM. Die Montagsmahnwache in Müllheim ist seit fünf Jahren Treffpunkt für Atomkraftgegner und besorgte Bürger, die die Stilllegung des Atomkraftwerks im elsässischen Fessenheim fordern. Mit Dora Pfeifer-Suger, die die Mahnwache nach der Atomkatastrophe von Fukushima mit initiiert hat, sprach Julia Jacob über die 250. Auflage der Protestveranstaltung am kommenden Montag und die Hoffnung auf den baldigen Ausstieg.
BZ: 250 Mahnwachen - und der Protest gegen das Atomkraftwerk Fessenheim geht weiter. Was motiviert die Menschen, sich nach wie vor jeden Montag in Müllheim zu versammeln?
Pfeifer-Suger: Dass dieser alte Reaktor nach wie vor am Netz ist und eine ganze Region bedroht, beunruhigt viele. Dass das Kraftwerk nicht sicher ist, wurde gerade erst wieder in einem Gutachten bestätigt, das von der Bundestags- und Landtagsfraktion der Grünen in Auftrag gegeben wurde. Das Interessante daran ist, dass dieses neuerliche Gutachten die Sache noch einmal von einer anderen Seite betrachtet. Verfasst wurde es nämlich von einem Menschen, der eigentlich auf der Pro-Atom-Energieebene gearbeitet hat. Selbst dieser Gutachter aber ist zu dem Schluss gekommen, dass das Atomkraftwerk in Fessenheim nicht sicher ist.
BZ: Die Mahnwache am Montag läuft unter dem Slogan: Kein ruhiges Markgräflerland, bis das AKW Fessenheim abgeschaltet ist. Inwiefern ist der Protest gegen Fessenheim eine Markgräfler Angelegenheit?
Pfeifer-Suger: Der Hauptprotest wird hier organisiert, aber natürlich beschränkt sich der Protest gegen das AKW Fessenheim nicht alleine auf das Markgräflerland. Es gibt im Elsass eine ganze Reihe von Organisationen, mit denen wir gemeinsam Aktionen planen und durchführen, wie das Konzert am 24. Januar. Ihre Aktivitäten auf der französischen Seite konzentrieren sich aber vorwiegend in Colmar oder Mulhouse. Von der Windrichtung her wäre der Breisgau und das Markgräflerland aber in der Tat besonders betroffen.
BZ: Wie viele Menschen kommen zu den Mahnwachen im Durchschnitt?
Pfeifer-Suger: Das hängt stark davon ab, welche Referenten sich zu den Treffen ankündigen. Je nach Programm kommen schon auch mal 40 bis 60 Leute zusammen. Zum harten Kern zählen rund 25 Personen, die unabhängig vom angekündigten Programm zu den Mahnwachen kommen. Nach 250 Montagsmahnwachen wird es allerdings immer schwieriger neue Leute für das Rednerpult zu gewinnen, die Referenten treten schließlich ohne Gage auf und haben mitunter längerer Anfahrtswege.
BZ: Die Mahnmachen wurden mit der Atomkatastrophe von Fukushima initiiert. Inwiefern haben die Vorfälle in Japan den Protest gegen Fessenheim erneuert?
Pfeifer-Suger: Dass die Bedrohung da ist, haben die Leute die ganze Zeit gewusst, das Bewusstsein für eine reelle Bedrohung ist allerdings mit der Zeit etwas in den Hintergrund gerückt. Nach Tschernobyl hatten wir eine ähnliche Situation. Auch damals ist der Protest wieder aufgeflammt und danach wieder abgeflaut. Fukushima hat allerdings auch deshalb große Betroffenheit ausgelöst, weil es gezeigt hat, dass die Atomtechnik selbst in einem hochtechnisierten Land wie Japan nicht beherrschbar ist. Zur ersten Mahnwache vier Tage nach der Atomkatastrophe kamen 9000 Menschen. Dieser enorme Zuspruch hatte uns völlig überrascht. Wir hatten mit 200 Teilnehmern gerechnet.
BZ: Welche Bedeutung hat es für den Protest, dass sich mittlerweile auch die politischen Gemeinden in der Region für die Stilllegung des AKW Fessenheim einsetzen?
Pfeifer-Suger: Es ist auf die Initiative des Bündnisses zurück zu führen, dass sich auch die Gemeinden in der Region dem Protest angeschlossen haben. Die Politik hat gemerkt, dass sich die Bürger Sorgen um dieses Thema machen und ist dann auch auf den Zug aufgesprungen. Das verleiht der Bewegung natürlich Nachdruck.
BZ: Wie stehen die Chancen, dass das AKW tatsächlich stillgelegt wird?
Pfeifer-Suger: Ich hoffe es sehr, aber die Skepsis ist da. Leider sieht es so aus, als ob die französische Betreibergesellschaft EDF mehr Macht hätte als der Präsident. Mein Wissenstand ist, dass die EDF nochmal eine Fristverlängerung bis Juni dieses Jahres bekommen hat, um zwei Reaktoren zu benennen, die vom Netz genommen werden sollen. Damit soll Ausgleich für das geplante neue Kraftwerk am Standort Flammenville geschaffen werden. Fessenheim gilt als Favorit, aber es kann auch sein, dass dort nur ein Reaktor stillgelegt wird und ein zweiter an einem anderen Standort.
BZ: Ursprünglich hatte Präsident François Hollande angekündigt, dass das AKW Fessenheim 2016 vom Netz soll. Mittlerweile haben wir 2016 und das AKW ist noch immer in Betrieb. Gibt es nun einen neuen Zeitplan?
Pfeifer-Suger: Momentan geht es um den Zeitpunkt, an dem die Stilllegung eingeleitet werden soll. Was genau das bedeutet, kann ich nicht einschätzen, aber die Rede ist von einem Zeitrahmen von zwei Jahren. Ich habe aber schon die Hoffnung, dass man Fessenheim nicht noch bis 2018 laufen lässt.
BZ: Gibt es ein besonderes Programm für die 250. Mahnwache am Montag?
Pfeifer-Suger: Nein, auf ein spezielles Programm haben wir verzichtet. Im Mittelpunkt steht der Protest, wir wollen zeigen, dass wir nicht locker lassen, ehe das Atomkraftwerk in Fessenheim abgeschaltet ist. Auch sind die Mahnwachen immer eine gute Gelegenheit, um sich mit anderen auszutauschen. Ich hoffe natürlich, dass sich möglichst viele Menschen bei dem Treffen einfinden.
Zur Person: Dora Pfeifer-Suger (62) ist verheiratet und Mutter zweier erwachsener Kinder. In Müllheim sitzt sie für die Fraktion Grüne/ALM im Gemeinderat, im Kreistag für die Grünen.
Die 250. Montagsmahnwache findet am Montag, 11. Januar, in der Müllheimer Werderstraße vor der Sparkasse statt. Beginn ist um 18.30 Uhr.