STRASSBURG. Für Francis Rol-Tanguy gibt es keinen Zweifel: Die französische Regierung werde sich durchsetzen und das Atomkraftwerk Fessenheim im Elsass noch vor Ablauf von drei Jahren abschalten. Das hat der frühere Verwaltungsbeamte, den Staatspräsident François Hollande Ende 2012 damit beauftragt hatte, die Stilllegung des ältesten französischen Akw vorzubereiten, in Interviews bekräftigt. Sie erschienen gleichzeitig in den Mittwochsausgaben der beiden Regionalzeitungen L’Alsace und Dernières Nouvelles d’Alsace (DNA). Rol-Tanguy erklärt darin, es sei ein üblicher Vorgang bei Wartungen und Reparaturen, ein Atomkraftwerk abzuschalten. "Nur wird es diesmal nicht wieder hochgefahren werden."
Viele Atomkraftgegner, aber auch Befürworter glauben nicht, dass das so einfach zu machen sein wird. Die Bürgermeisterin von Fessenheim etwa, Fabienne Stich, die gegen ein Abschalten ist, zeigt sich überzeugt: "Der gesunde Menschenverstand und unsere konservativen Politiker werden sich durchsetzen."
Rol-Tanguy hingegen hält daran fest: Auch nach einem möglichen Regierungswechsel 2017 werde die jetzige Opposition Fessenheim nicht ohne Weiteres wieder in Betrieb nehmen können. Dafür soll ein Energiegesetz sorgen, das allerdings frühestens im Herbst 2014, also deutlich später als noch vor Monaten angekündigt, in Kraft tritt. So werde das Gesetz eine Obergrenze für Atomstrom festlegen. Will der Betreiber Electricité de France (EdF) dann wie geplant 2016 seinen modernsten Reaktor, den EPR in Flamanville in der Normandie, in Betrieb nehmen, müsse er, so Rol-Tanguy, im Gegenzug "eine gleichwertige Kapazität schließen". Denn Frankreich will den Anteil seiner Atomenergie an der Stromerzeugung bis 2025 von heute 75 auf 50 Prozent verringern.
Der Chef der französischen Atomaufsicht, Pierre-Franck Chevet, bestätigte unterdessen erstmals öffentlich, dass EdF eine Liste mit den wichtigen Maßnahmen zur Vorbereitung eines Rückbaus abgeliefert habe. Unter anderem seien Strahlenmessungen in allen Bereichen des Atomkraftwerks notwendig.
Mindestens ebenso heikel wie die Demontage dürfte das Ringen um die Zukunft der Beschäftigten des Akw werden. Gespräche darüber verweigern EdF-Gewerkschafter wie Lokalpolitiker dem Koordinator bis heute. Für die etwa 600 direkten Arbeitsplätze bei EdF will Rol-Tanguy, wie er in dem Gespräch signalisiert, den Energieversorger selbst in die Pflicht nehmen. Was die Leiharbeiter und Subunternehmer anbelangt, erhofft er sich Lösungen aus einer Analyse, die der EdF-Betriebsrat in Auftrag gegeben hat.
Rol-Tanguy beschwichtigt: "Die Stilllegung wird sich nicht sofort, sondern über einen längeren Zeitraum hinweg auf den Arbeitsmarkt auswirken." Konkrete Vorschläge ist er bisher schuldig geblieben.