Die Region Freiburg bittet die französische Regierung, das AKW Fessenheim abzuschalten.
BREISGAU-HOCHSCHWARZWALD. Neuer Präsident, neue Hoffnung: Die Region Freiburg wendet sich an die neue französische Regierung, mit dem Anliegen, dass Kernkraftwerk Fessenheim zu schließen. Die Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer setzt auch auf wirtschaftliche Überlegungen des Kraftwerk-Betreibers. Denn in den kommenden Jahren stehen in Fessenheim Prüfungen an. Für eine Betriebserlaubnis müsste davor wohl kräftig investiert werden.
Südbaden hat Angst vor dem Kernkraftwerk in Fessenheim. Die Nachricht ist nicht neu, doch sie bleibt aktuell. Denn in Sachen Schließung tut sich wenig. Daran hat auch die Ankündigung des ehemaligen französischen Präsidenten François Hollande nichts geändert. Der hatte 2012 verlautet, dass das Kraftwerk bis 2016 stillgelegt werden sollte. Jetzt ist Mitte 2017 und das alte und störanfällige Kraftwerk läuft immer noch. In Paris ist mit Emmanuel Macron ein neuer Mann an der Macht. An dessen Umweltminister Nicolas Hulot hat die Region Freiburg jetzt einen Brief verfasst. Die Bitte: "Eine möglichst zeitnahe Abschaltung des gesamten Atomkraftwerks", wie es in dem Schreiben heißt. "Nach unserer Einschätzung stellt die Existenz des Kernkraftwerkes Fessenheim eine große Gefahr für die hier lebenden Menschen dar, die gegenwärtig und in Zukunft nicht mehr zu verantworten ist", heißt es weiter.
Die Region Freiburg ist eine Kooperation der Landkreise Breisgau-Hochschwarzwald und Emmendingen sowie der Stadt Freiburg. Die Präsidentin des Regierungsbezirks Freiburg, Bärbel Schäfer, zu Gast in der Mitgliederversammlung der Region Freiburg, meinte, dass man bei Hulot durchaus auf offene Ohren stoßen könnte. Der neue Minister sei ein früherer Umweltaktivist. "Das lässt für unser Anliegen hoffen", so Schäfer.
Die Regierungspräsidentin ist Mitglied beim CLIS, einer grenzüberschreitenden Informations- und Überwachungskommission für Atomkraftwerke. "Je mehr man sich mit Fessenheim beschäftigt, desto ärger wird einem", sagte Schäfer.
Es habe durchaus Signale der Regierung Macrons gegeben, dass Fessenheim abgeschaltet werden solle. "Das ist aber alles noch keine sichere Nummer", so Schäfer. Denn letztlich müsse der Betreiber EDF darüber entscheiden.
Kraftwerk belastet die Beziehungen
Hoffnung macht, dass unter Macron das französische Gesetz zur Energiewende wohl nicht gekippt wird. Es sieht vor, dass der Anteil an Atomstrom reduziert wird. Für EDF würde das letztlich bedeuten, dass mittelfristig ein oder zwei Atomkraftwerke abgeschaltet werden könnten, so Schäfer.
Da in Flamanville ein neues Kraftwerk gebaut wird, könnte in Zukunft mehr Atomstrom produziert werden, als das Gesetz es zulässt. EDF hatte jüngst zudem zugestimmt, bei einer Abschaltung Fessenheims eine Entschädigung zu akzeptieren. Vieles spricht also dafür, dass, wenn ein Kraftwerk abgeschaltet wird, es das in Fessenheim ist. Allerdings ist unklar, wann der neue Reaktor in Flamanville in Betrieb gehen könnte. Schäfer sagte auch, dass die Gespräche über Fessenheim die bilateralen Beziehungen in der Region durchaus belasten. Denn die politischen Akteure, mit denen über das Kraftwerk diskutiert werde, seien auch Ansprechpartner für die zahlreichen grenzüberschreitenden Projekte in der Region. "Das ist eine Zerreißprobe", so Regierungspräsidentin Schäfer.
Der Faktor der Wirtschaftlichkeit könnte letztlich den Ausschlag für EDF geben, Fessenheim stillzulegen, so Schäfer. Denn in den Jahren 2019 und 2020 stehe die sogenannte Zehnjahresinspektion an. Dabei geht es um die Betriebserlaubnis für Atomkraftwerke. Hier könnten, angesichts der bekannten Probleme der vergangenen Jahre, hohe Investitionen für den Betreiber anstehen. "Wir hoffen, dass EDF deshalb von selbst sagt: Wir machen Fessenheim zu", so Schäfer. Wichtig sei zudem, Frankreich Angebote für eine wirtschaftliche Zusammenarbeit zu machen. Konkrete Pläne gebe es aber noch nicht, so Schäfer. Zudem liege die Hauptaufgabe bei Paris, Instrumente zu entwickeln, um die strukturschwache Region zu entwickeln.
Silke Eisfeld, Grünen-Kreisrätin im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald, fragte nach, ob es nicht möglich sei, dem Ton im Brief etwas mehr Nachdruck zu verleihen. Formulierungen wie "zeitnah" ließen einen sehr großen Interpretationsspielraum, meinte sie. Emmendingens Landrat Hanno Hurth entgegnete, im Sinne der Diplomatie sollte in dem Schreiben an den Minister durchaus bewusst zurückhaltender argumentiert werden.