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01-05-16
Rubrik: Pressebericht, Fessenheim
Millionenpoker

Beim Abschalten des Atomkraftwerks FESSENHEIM geht es um viel Geld

Wann das altersschwache Atomkraftwerk im französischen Fessenheim vom Netz geht, ist immer noch ungewiss. Doch die Verhandlungen um die Kosten der Stilllegung haben längst begonnen. DANIEL GRÄBER KLAUS RIEXINGER

Seine Verbandelung mit dem französischen Atomkraftwerk Fessenheim behandelt der baden-württembergische Energiekonzern EnBW sehr diskret. Informationen zum finanziellen Engagement auf der anderen Rheinseite erhält die Öffentlichkeit kaum. Und selbst die Landesregierung kennt angeblich keine Details. Dabei ist die EnBW nahezu vollständig in öffentlicher Hand, ein Staatskonzern.
Sowaren es nur ein paar dürre Zeilen im aktuellen Jahresbericht, die einige atomkraftkritische Aktionäre haben aufhorchen lassen. Man habe sich mit dem französischen Kraftwerksbetreiber EDF geeinigt, heißt es darin. Das Risiko, dass sich die EnBW an den Kosten für den Rückbau der Anlage beteiligen muss, sei entfallen. Kein Wort darüber, zu welchem Preis diese Einigung erzieltwurde. Auch auf Nachfrage des Sonntag gibt die EnBW keine Auskunft: Man habe mit EDF „strikte Vertraulichkeit vereinbart“.
Schwer vorstellbar ist allerdings, dass die französische Seite ganz ohne Gegenleistung auf das Geld aus Deutschland verzichtet. Schließlich könnten Abriss und Sicherung des Atomkraftwerks gut einen dreistelligen Millionenbetrag kosten. An den Baukosten beteiligte sich damals die landeseigene Badenwerk AG.
Sie ist inzwischen in der EnBW aufgegangen. Ein alter Strombezugsvertrag aus dieser Zeit sichert ihr nach wie vor 17,5 Prozent der in Fessenheim erzeugten Energie zu – und verpflichtet die EnBW, einen entsprechenden Anteil an den „fixen und variablen“ Kosten des Kraftwerks zu übernehmen. Ob dazu auch Kosten zählen, die nach der Stilllegung entstehen, war lange umstritten. EnBW vertrat zwar die Auffassung, dass dies der Vertrag nicht hergebe.
Die Franzosen waren allerdings anderer Meinung. Sylvia Kotting-Uhl, atompolitische Sprecherin der Bundes-Grünen, begrüßt zwar, dass es in dieser Streitfrage zu einer Einigung kam. „Je mehr die EnBW sich aus der Atomkraft zurückzieht und auf die Energiewende umstellt, desto besser“, sagte sie.
„Allerdings kann man die Vereinbarung in Gänze nicht bewerten, weil Details nicht transparent sind.“
Die noch amtierende grün-rote Landesregierung hält sich mit einer Bewertung zurück. Man habe „keine eigenen Erkenntnisse“, heißt es aus Stuttgart.Auf „etwaige Verhandlungen der EnBW mit der EDF“ habe das Land als Aktionär weder einen Auskunftsanspruch noch die Möglichkeit einer Einflussnahme. Es ist der Versuch, eine Trennlinie zu ziehen zwischen Politik und Geschäft. Denn offiziell setzt sich die Landesregierung dafür ein, dass Fessenheim aus Sicherheitsgründen so schnell wie möglich abgeschaltet wird. Entgegengesetzte wirtschaftliche Interessen des Landes als Hauptaktionär der EnBWstören dabei.

 – Verzichtet EnBW auf Entschädigung? –

Auch in Frankreich hat der Millionenpoker um die Zukunft Fessenheims längst begonnen. Der französische Staat verhandelt mit seinem Energiekonzern EDF über Entschädigungen, sollte das Kraftwerk vorzeitig vom Netz genommen werden. Eric Straumann, Präsident des Départementrats Haut-Rhin, hat das erst diese Woche aus der französischen Presse erfahren. Er hält deshalb einen Deal zwischen EnBW und der französischen Seite für sehr gut möglich.
Die Deutschen könnten auf eine Entschädigung verzichtet haben, schließlich würde ihr 17,5-Prozent-Anteil am Fessenheim-Strom mit dervorzeitigen Stilllegung wertlos. Im Gegenzug hätte dann EDF seine Forderung nach einer Beteiligung an den Rückbaukosten fallen gelassen. Doch das sind Spekulationen.
Offizielle Informationen fehlen.
Auch zu der Frage, wie viel Geld EnBW noch in die Nachrüstung des störanfälligen Kraftwerks stecken muss. Während EDF bekannt gegeben hat, dieses Jahr 67 Millionen Euro in die Sicherheit Fessenheims zu investieren, schweigt Baden-Württembergs EnBW auch dazu. Vielleicht, weil es Kundenund Eigentümern schwer zu erklären ist, warum Millionen für die Ertüchtigung des Kraftwerks ausgegeben werden, wenn es doch eigentlich so bald wie möglich abgerissen werden soll.
Regionalpolitiker auf beiden Seiten des Rheins beschäftigen sich indes damit, was nach der Stilllegung in Fessenheim entstehen könnte. Denn die Elsässer sehen das Kraftwerk vor allem als Arbeitsplatzgarant und Wirtschaftsmotor.
Départementratspräsident Straumann schrieb diese Woche an Umweltministerin Ségolène Royal. Der Politiker der bürgerlich-konservativen Républicains wundere sich, dass der Staat bereits mit den Anteilseignern des Atomkraftwerks über Entschädigungen verhandle, bisher jedoch keine Anstalten gemacht habe, auch lokal solche Ausgleichszahlungen ins Auge zu fassen.
„Wenn bei uns heute etwa ein amerikanisches Unternehmen seinen Betrieb einstellt,muss es vor Ort für Revitalisierungsmaßnahmen eine entsprechende Abfindung zahlen, deshalb wollen wir jetzt auch wissen, was diesmal vorgesehen ist“, sagte Straumann dem Sonntag.
Auf deutscher Seite setzt sich der Regionalverband Südlicher Oberrhein für eine „Perspektive für Arbeitsplätze“ in Fessenheim ein. Verbandspräsident Otto Neideck wies diese Woche darauf hin, dass rund 2000 Arbeitsplätze an dem Atomkraftwerk hingen.
Auch Verbandsdirektor Dieter Karlin sagte: „Die Sorge der Elsässer um den Verlust der Arbeitsplätze ist nicht unberechtigt.“
Beide wiesen darauf hin, dass viele Elsässer sich durch deutsche Forderungen nach einem Abschalten des Kraftwerks stigmatisiert fühlten. Auch aus diesem Grund sei es geboten, die Initiative für eine Zukunft des Standortes zu ergreifen.

 – Freihandelszone als Zukunft –

Neideck griff den Vorschlag des früheren Eschbacher Bürgermeisters Harald Kraus auf und sagte, er könne sich gut vorstellen, den erfolgreichen Gewerbepark auf der anderen Rheinseite zu erweitern. Vorstellbar sei etwa eine „Freihandelszone“, wie immerdieauchausgestaltet
sei. „So könnten wir aus einem Dissens-Thema ein Konsens-Thema machen“, fügte Neideck hinzu. Die Bereitschaft auf deutscher Seite sei da, die Initiative müsse aber von Paris ausgehen. Mitarbeit: Annette Mahro


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