Der Brief aus Paris, der auf den 28. Dezember datiert ist, besteht, zieht man die Höflichkeitsfloskeln ab, aus nur vier Sätzen. Der wichtigste: "La fermeture de la centrale nucléaire de Fessenheim fait partie des engagements du Gouvernement francais", was Empfänger Gustav Rosa so übersetzt: "Bei den Franzosen liegt die endgültige Abschaltung Fessenheims auf dem Tisch, jetzt machen sie Ernst."
Der 66-jährige Adressat des Schreibens aus dem Élysée-Palast ist Mitglied im Breisacher SPD-Ortsverein und Organisator der wöchentlichen Mahnwachen auf dem Breisacher Neutorplatz für die Stilllegung des AKW Fessenheim. Es sei ein Novum, dass einer seiner Briefe an die französische Regierung beantwortet wurde. Dass die französische Regierung nun die Schließung des AKW in Fessenheim in Gang bringen will, sei auch das Ergebnis von "sieben Jahren ausdauernder Arbeit, Protesten und Veranstaltungen" der verschiedenen Anti-Atomgruppen am Oberrhein. "Der Brief aus Paris freut uns und bestätigt, dass auch kleine, bescheidene Aktionen am parisfernen Oberrhein an höchster Regierungsstelle Aufmerksamkeit und Beachtung finden", so Rosa.
Als im März 2011 ein Atomkraftwerk im japanischen Fukushima havarierte, gab das der Anti-Atom-Bewegung auf der ganzen Welt neuen Aufschwung. Auch in Deutschland gingen Hunderttausende auf die Straße und forderten den Ausstieg aus der Atomkraft. Besonders beharrlich demonstrierte man in Breisach, wo die anfänglich täglichen Proteste zunächst durch die Breisacher Umweltliste organisiert wurden. Die Organisation der dann wöchentlich stattfindenden Mahnwachen übernahm Gustav Rosa im Namen des Breisacher SPD-Ortsvereins – stets betonend, dass es sich um einen "überparteilichen Protest" handelt. Rosa und seine Mitstreiter, darunter zahlreiche Aktivisten aus Frankreich, feierten am Montag die 350. Breisacher Mahnwache, und Rosa krönte das Fest mit der guten Nachricht aus Frankreich.
Drei Tage später bestätigte die französische Nachrichtenagentur AFP die in dem Brief zugesagte Schließung Fessenheims und meldete, der französische Umweltstaatssekretär Sébastien Lecornu werde das Kraftwerk am 18. Januar besuchen. Dem Radiosender RTL sagte Lecornu, er werde ein Leitungsteam einsetzen, das Vertreter aus Wirtschaft und Politik umfasse, womit das Verfahren zur Entscheidung über die Zukunft von Fessenheim in Gang gebracht werde.
Ein Wermutstropfen für die Atomkraftgegner ist, dass die französische Regierung die Abschaltung Fessenheims weiterhin an die Inbetriebnahme des Druckwasserreaktors im nordfranzösischen Flamanville knüpft, die 2019 erfolgen soll. Rosa hofft bis dahin auf die Unterstützung lokaler Politiker, die bislang ausgeblieben sei – an der Jubiläumsmahnwache am Montag zum Beispiel habe kein einziger der 46 eingeladenen Bürgermeister aus der Region teilgenommen. Nina Lipp