Wahlversprechen sind Versprechen, keine Zusagen. Das haben Atomkraftgegner am Oberrhein beim Thema Fessenheim spätestens diese Woche begriffen. Ségolène Royal, die französische Umwelt- und Energieministerin, irritiert durch ausweichende Sätze. Plötzlich steht die Stilllegung der beiden Meiler an der Grenze zu Deutschland mehr denn je zur Debatte. Aus Rücksicht auf den Standort könnten zwei andere der 58 französischen Reaktoren bis 2016 abgeschaltet werden.
Längst war klar, dass Staatspräsident François Hollande den Akw-Betreiber Electricité de France (EdF) nicht zwingen kann, ausgerechnet Fessenheim vom Netz zu nehmen. Ein Gesetz, das diese Woche in der französischen Nationalversammlung debattiert wird, begrenzt die Stromproduktion aus Atomkraftwerken. Der EdF lässt es aber die Wahl, welche Reaktoren der Konzern vom Netz nehmen will. Der französische Staat, obwohl EdF-Mehrheitseigner, kann ein Kernkraftwerk nicht eigenmächtig abschalten. Und EdF – das versteht sich – zieht eher widerwillig mit. Sie wird Ministerin Royal Vorschläge unterbreiten. Royal wiederum behält sich eine eigene Position vor.
Mag Staatspräsident Hollande seit vier Jahren wiederholt haben, die Entscheidung werde auf das elsässische Atomkraftwerk, das älteste des Landes, hinauslaufen, jetzt herrscht nur eines: Ungewissheit, wie es weitergeht. Ein parlamentarischer Bericht hat diese Woche gar für einen Weiterbetrieb von Fessenheim plädiert, weil sonst eine Entschädigung für EdF in Milliardenhöhe fällig würde. Über mögliche Zahlungen an die deutsche EnBW und Schweizer Stromerzeuger, die seit den 1970ern an Fessenheim beteiligt sind, wird hartnäckig geschwiegen.
Atomkraft und Fessenheim – das ist in Frankreich kein Thema, an dem sich Linke und Konservative aufreiben. Die Atomkraft war bis zu Hollandes Amtsantritt so etwas wie Staatsräson. Mit einem Anteil von noch 75 Prozent an der Stromproduktion steht sie mehr als in jedem anderen europäischen Land für Wirtschaftskraft. Deren Erhalt ist der neuralgische Punkt der französischen Regierungspolitik. Fessenheim ist deshalb ein Symbol. Für die mächtigen Gewerkschaften, die um Jobs kämpfen. Für die Regierung, weil sie sich ungern in ihre Politik hineinreden lässt.
Die Risiken – Fessenheim liegt in einem Erdbebengebiet, Fessenheim ist überflutungsgefährdet – scheinen keine Rolle zu spielen. Die Franzosen haben seit Jahrzehnten gigantische Summen in die Nachrüstung des Akws investiert. Ist Fessenheim vielleicht sogar sicherer als andere französische Meiler? Deutsche Experten halten auf jeden Fall eine Abschaltung für unumgänglich. Wenn am heutigen Donnerstag in Colmar die Informationskommission Fessenheim zusammentrifft, wollen die deutschen Partner wissen, woran sie sind.
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