NEUENBURG. Weit mehr als 100 Zuhörer wollten am Donnerstagabend mehr über den Sicherheitszustand und die Zukunft des Atomkraftwerks in Fessenheim erfahren; eingeladen dazu hatten der Ortsverband Müllheim-Neuenburg und der Kreisverband Breisgau-Hochschwarzwald von Bündnis 90/Die Grünen.
Nach der Katastrophe in Fukushima hatte das baden-württembergische Umweltministerium das Öko-Institut Darmstadt beauftragt, die Daten der grenznahen Atomkraftwerke Fessenheim und Beznau genauer unter die Lupe zu nehmen und sie mit dem Sicherheitsstandard deutscher AKW zu vergleichen. In Fessenheim, so referierte der Physiker Christian Küppers vom Öko-Institut Darmstadt, gebe es etliche Schwachstellen: insbesondere die Sicherheit bei Erdbeben, Überflutungen und bei Stromausfall sowie die Kühlwasserversorgung im Notfall. Besonders bemängelte er, dass hochgefährliche, weil stark strahlende Brennelemente außerhalb des geschützten Bereichs des AKW gelagert werden. Hier könne der Absturz eines kleineren Flugzeugs, ein Terrorangriff mit panzerbrechenden Waffen oder die Druckwelle eines explodierenden Gastankers auf dem Rhein verheerende Folgen haben. Küppers Fazit: In Deutschland wäre Fessenheim längst stillgelegt.
Warum tut die Landesregierung nicht mehr dafür, genau das zu erreichen? Diese Frage stand im Mittelpunkt der lebhaften Diskussion, geleitet von der grünen Abgeordneten Bärbl Mielich. Antworten gab Helmfried Meinel, Ministerialdirektor im Umweltministerium. Das Gutachten sei an der Grenze dessen gewesen, was sich die Landesregierung diplomatisch gegenüber Frankreich herausnehmen könne, sagte er; es habe auch harsche Kritik von französischer Seite gegeben. Mehr als Versuche von Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Umweltminister Untersteller, mit hohen französischen Regierungsvertretern über Fessenheim zu sprechen, seien auf diplomatischer Ebene nicht möglich.
Die grüne Basis sah das anders. Mehrere Zuhörer wiesen auf die Möglichkeit hin, dass die Landesregierung die 17,5-Prozent-Beteiligung des Energieversorgers EnBW an Fessenheim als Hebel für die Stilllegung nutzen könnte. Diese Beteiligung verpflichtet EnBW zur Zahlung von Reparatur- und Aufrüstungsarbeiten in Fessenheim, bedeutet aber keinerlei Eigentumsrechte an dem Werk, wie Helmfried Meinel ausführte. Außerdem sei der Vertrag nicht kündbar.
Was aber, wenn die Landesregierung sich einfach weigern würde, ihren finanziellen Anteil an den Arbeiten im AKW zu leisten?, fragte ein Zuhörer; dann würde es doch zu einem Prozess kommen, in dessen Verlauf die Verträge zwischen EnBW und dem französischen Fessenheim-Betreiber EdF offengelegt werden müssten. Oder wenn man sich weigern würde, Atomstrom aus Fessenheim abzunehmen? Dann müsste Fessenheim doch abgeschaltet werden, weil man den Strom nicht los werde. Meinel sah darin keinen Ausweg.
Bärbl Mielich versprach dagegen, über einige Vorschläge nachzudenken, und plädierte dafür, die Region Elsass mit ins Boot zu holen, um klar zu machen, welche Chancen sich nach einer Stilllegung des AKW in der Region Fessenheim böten. Den größten Beifall heimste Rudi Rechsteiner ein, Vize-Präsident von TRAS, die – bisher erfolglos – auf juristischem Weg gegen Fessenheim angehen. "Herr Kretschmann sollte mal hierher kommen und beiden Seiten erzählen, dass ein Potenzial von 15 000 Atombomben im AKW wie in einer Garage fast ungesichert rumliegt", rief er. "Ich wünsche mir von Stuttgart eine lautere Stimme."
Online Kommentare:
Gustav Rosa: 25. Januar 2014 - 11:37 Uhr
Rudi Rechsteiner bringt es auf den Punkt: "Ich wünsche mir von Stuttgart eine lautere Stimme."
Natürlich kann die Landesregierung auf internationaler Ebene kaum mehr tun, ohne größeren Unmut bei unseren souveränen Nachbarn zu provozieren. Aber immer wieder die schon seit langem bekannten Sicherheitsmängel anzuprangern bringt keinen neuen Schwung in die Debatte. Langsam droht sich eine gewisse Hilflosigkeit breit zu machen - und das ist NICHT gut so!
Es fehlt der Mut zur Kündigung oder - wenn dies aus juristischen Gründen nicht möglich sein sollte - zum Bruch der uralten Verträge. Kein Politiker ist bereit, die Konsequenzen eines solchen Schrittes zu tragen. Stellt sich die Frage, ob ein Volksentscheid, der die Verantwortung auf die gesamte Bevölkerung verteilen würde, nicht ein Ausweg aus dieser Hilflosigkeit sein könnte?!
Die Anti-Atom-Protestbewegung macht es vor. Durch rege Kontakte und enge Zusammenarbeit über den Rhein hinweg wächst der Druck auch im Elsass auf die französischen Politiker. Dagegen dümpelt die lokalpolitische grenzüberschreitende Zusammenarbeit zum Thema AKW Fessenheim nur so vor sich hin. Hier herrscht noch großer Nachholbedarf.