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29-06-16
Rubrik: Pressebericht, Fessenheim
Endlich dürfen die Bürger mitreden

Im elsässischen Fessenheim tagte die Überwachungskommission für das örtliche Akw erstmals öffentlich / Beschäftigte treffen auf Atomkraftgegner.

FESSENHEIM. "Französische Atomkraftwerke sind nicht sicherer als japanische", ruft ein Mann im Publikum, der sich als "besorgter Anwohner des Akw Fessenheim" vorstellt. Ihm ist die Litanei von Fakten in der Sitzung der lokalen Überwachungskommission Fessenheim am Montagabend wohl zu viel geworden. Zum ersten Mal seit der Gründung der Kommission 1977 hat die Bevölkerung Zutritt und darf Fragen stellen.

"Sie werden sehen, was für ein Theater hier gespielt wird", frohlockt Gilles Barthes, elsässischer Atomkraftgegner, der in der Kommission französische Umweltverbände vertritt. Er kennt den Ton der Diplomatie, mit dem sich Politiker, Behördenvertreter, die Atomaufsicht und der Betreiber in dem Gremium begegnen. Viele der Bürger, Deutsche wie Franzosen, die in den Dorfsaal von Fessenheim gekommen sind, wollen sich, mit gesunder Skepsis ausgestattet, "einfach mal anhören, was da so passiert".

Die Gemengelage mit den Beschäftigten des Akw, die am Nachmittag von ihrem Arbeitsplatz am Rheinseitenkanal ins zwei Kilometer entfernte Dorf zu einem Protestmarsch aufgebrochen sind, hätte explodieren können. Ist sie aber nicht. Am Eingang kontrollieren Gendarmen Personen und Taschen. Der Bürgermeister hat vorsorglich die Zahl der Anwesenden auf 400 begrenzt.

So viel Mühe wäre gar nicht nötig gewesen. Selbst jene, die "ihr Akw", wie ein Banner verkündet, "gemeinsam bewahren wollen", lassen sich von den gelben Westen mit dem Schriftzug "Atomkraft nein danke!" nicht aus der Reserve locken. Dabei sein, endlich selber Fragen stellen oder einfach die Meinung sagen – das wollen sie schließlich alle.

Und so ist die Frage der Freiburger Umweltbürgermeisterin Gerda Stuchlik, die ebenfalls dabei ist, nur konsequent. Bis Ende Juni soll EdF die Abschaltung von Fessenheim beantragen, damit François Hollande sein Versprechen, Fessenheim stillzulegen, noch bis zur nächsten Präsidentschaftswahl im Frühjahr 2017 halten kann. Diese Frist hat die französische Umweltministerin Ségolène Royal dem Betreiber gesetzt. "Wird am Donnerstag dieser Antrag gestellt?", bohrt die Deutsche nach. Um sie verblüffte Stille. "Auch wir warten mit Ungeduld auf eine Antwort", entgegnet der Generalsekretär des Präfekten, der als Vertreter der Staatsmacht in Colmar residiert, ein großer, ergrauter Herr mit verbindlicher Freundlichkeit. Für einen Moment entsteht der Eindruck, als könne in diesen letzten Juni-Tagen tatsächlich wahr werden, was sich viele im Saal erhoffen.

Die Wirklichkeit der zurückliegenden Wochen und Monate setzt allerdings irritierende Signale. Da waren ein angeblicher Streit um die Entschädigung zwischen Royal und dem Betreiber sowie ein Skandal um vertuschte Materialfehler im Reaktorstahl zentraler Bauteile. Der gesamte französische Nuklearpark ist betroffen. In Fessenheim wird deshalb seit zwei Wochen am abgeschalteten Reaktor 2 ein Dampfgenerator auf Unregelmäßigkeiten überprüft.

Nicht zu vergessen die Ungereimtheiten um einen Vorfall im Akw vom April 2014. Der Leiter der Abteilung Nuklearüberwachung im Stuttgarter Umweltministerium, Walter Glöckle, fällt in Fessenheim während der Sitzung am Montag ein diplomatisches, aber doch unmissverständlich scharfes Urteil. Seiner Meinung nach sei kein schwerer Störfall verheimlicht worden. "Der Vorfall verdeutlicht trotzdem allgemeine Schwächen in der Organisation des Akw Fessenheim." Was er damit meint: Moderne Akw verfügen über mindestens ein weiteres Sicherheitssystem. Fessenheim hat nur zwei. Stände es rechts des Rheins, es wäre längst abgeschaltet.


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