FREIBURG/SCHÖNAU. Für eine radioaktive Wolke ist die Strecke ein Klacks: Bei leichtem Westwind käme eine Wolke aus Fessenheim nach etwa fünf Stunden in Schönau an. Für Läuferinnen und Läufer ist diese Strecke eine Herausforderung, die einem Marathon nahe kommt: circa 38 Kilometer. Ein Team um die Freiburgerin Eva Stegen nimmt diese Herausforderung an – und läuft am Tschernobyl-Jahrestag von Fessenheim nach Schönau, um auf die Gefahren aufmerksam zu machen, die von dem französischen Atomkraftwerk ausgehen. BZ-Mitarbeiterin Silke Kohlmann sprach mit Eva Stegen.
BZ: Wie kamen Sie darauf, diesen Lauf in Angriff zu nehmen?
Eva Stegen: Ich gehe mit diesem Gedanken schon länger schwanger. Ich könnte zwar jetzt noch keinen ganzen Marathon laufen, aber mit dem Wissen, dass man sich das draufschaffen kann, habe ich mich mit der Idee an den Schönauer Ultraläufer Jürgen Wetzel gewandt. Er war sofort Feuer und Flamme. Da dachte ich: Ok, dann trauen wir uns. Seit fünf Wochen bin ich jetzt mit der Organisation beschäftigt, und das ist eine ganz schöne Rödelei, allein mit den ganzen Behördengängen.
BZ: Haben Sie ein Team, das mit Ihnen gemeinsam läuft?
Stegen: Ja, mein Team vom SK Littenweiler läuft mit, außerdem hat Jürgen Wetzel Läufer zusammengetrommelt, und über unsere Website trudeln jetzt auch die ersten Anmeldungen ein. Es wäre natürlich schön, wenn viele Menschen mitlaufen.
BZ: 38 Kilometer lang ist die Strecke, 1000 Höhenmeter müssen überwunden werden. Das wird eine Herausforderung für die Läuferinnen und Läufer.
Stegen: Mir sind die Augen aus dem Kopf gefallen, als ich mir das Höhenprofil angesehen habe. Es geht streckenweise sehr steil bergauf. Zum Glück werden aber keine Zeiten gemessen. Und wer möchte, kann auch nur eine Teilstrecke laufen. Von Fessenheim bis Bremgarten wären es zum Beispiel nur sieben Kilometer, nach Staufen 17. Oder man stößt erst am Wiedener Eck ("Bushaltestelle Obermulten") zur Läufergruppe, da geht es dann fast nur noch bergab.
BZ: Die Strecke verläuft von Fessenheim weg in Richtung Schönau. Ein symbolisches Bild?
Stegen: Ja. Es wird eine Bewegung weg von der alten Dinosaurier-Technologie Atomkraft hin zur EWS Schönau, dem Symbol für eine erneuerbare, enkeltaugliche Energiezukunft.
BZ: Es ist ein Lauf durch die Evakuierungszone des Akw. Welche Bewandtnis hat es damit auf sich?
Stegen: In der offiziellen Notfallschutzbroschüre zeigt das Schaubild, dass Schönau oder auch der Freiburger Osten nur knapp außerhalb des 25-Kilometer-Radius um das Akw liegen. "Eine Evakuierung erfolgt bevorzugt im Privat-Pkw" heißt es tatsächlich in der Broschüre. Ein Blick auf die Verkehrssituation in Freiburg nach einem SC-Spiel macht schnell klar: Im Falle einer Katastrophe ist man wahrscheinlich zu Fuß schneller. Nun soll es am 29. Tschernobyl-Jahrestag zum Glück kein Lauf ums Leben, sondern für das Leben werden.
BZ: Sie wollen mit dem Lauf auch den französischen Präsidenten François Hollande erreichen.
Stegen: Oh ja. Derzeit haben alle möglichen Reaktoren massive Probleme mit Rissen – so ja auch Fessenheim. Unsere Meinung ist: Die ermüdenden Bauteile des ältesten französischen Akw müssen in Ruhestand gebracht werden, bevor die Risse nachgeben. Der Druck aus der Bevölkerung muss den Druck in dem maroden Druckbehälter übersteigen. Es darf nicht sein, dass der französische Präsident sich schleichend von seinen Wahlversprechungen verabschiedet, die Altmeiler 2016 vom Netz zu nehmen. Und Hollande ist natürlich fein raus, wenn er sagt, Fessenheim würde 2016 abgeschaltet. Er wird vermutlich bei den nächsten Wahlen 2017 abgewählt. Und Sarkozy hatte ja die Dreistigkeit, am Fukushima-Jahrestag 2015 in Fessenheim aufzukreuzen, und dem Akw Bestandsschutz zuzusichern. Von dem ist also auch nichts zu erwarten. Wir wollen also mit unserem Lauf den Druck auf die französische Politik erhöhen. Denn wenn dieses schöne Fleckchen Erde, auf dem wir leben, das nächste wird, das wegen einer Atomkatastrophe von der Landkarte verschwindet, dann fände ich das sehr, sehr traurig.
Eva Stegen ist bei den Elektrizitätswerken Schönau für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig, organisiert den Lauf aber als Privatperson. Die 52-Jährige kommt ursprünglich aus dem Kohlenpott und lebt heute in Freiburg. Sie ist verheiratet und hat einen Sohn.
INFO: LAUF DES LEBENS
Der Lauf findet am Sonntag, 26. April statt. Treffpunkt am Akw in Fessenheim ist um 11.30 Uhr, Start um 13 Uhr. Der Lauf ist privat organisiert, die Teilnahme kostet nichts. Jeder, der es für sich verantworten kann, im 6,5er Schnitt mitzulaufen, ist eingeladen, die Gruppe zu verstärken. Mehr Informationen unter www.von-fessenheim-nach-schoenau.de Infos zur Großdemonstration am Akw unter www.bund-freiburg.de oder www.fessenheimstop.org