"So etwas muss genau geprüft und entscheidend verbessert werden", lautete der Kommentar der Atomphysikerin Monique Sené zu dem misslungenen Befüllvorgang eines Wasserreservoirs im Akw Fessenheim vom April.
Der Fehler schlug Wellen und wurde von der Atomaufsicht in Straßburg (ASN) im vergangenen Sommer nachträglich von 0 auf Niveau 1 der internationalen Skala für meldepflichtige Störfälle in Atomkraftwerken hochgestuft.
Kontrovers diskutiert wurde er deshalb auch in der Sitzung der Informationskommission Fessenheim (Clis) diese Woche in Colmar. Denn der zugehörige Überlauf war unwirksam, weil ein Abflussrohr unter anderem mit Metallspänen verstopft war. So kam es, vom Maschinenraum ausgehend, zur Überflutung einzelner Bereiche. In mehreren Kabelschränken musste Material erneuert werden. Bis der Reaktor nach der Reparatur wieder hochgefahren werden konnte, dauerte es nahezu zwei Monate. Akw-Direktor Thierry Ross betonte, es habe sich nicht um einen Störfall gehandelt, sondern um ein so genanntes Ereignis im laufenden Betrieb.
"Zu einem Vorfall dieser Kategorie kommt es ein bis zweimal pro Jahr in den meisten französischen Kernkraftanlagen", beschwichtigte die neue Leiterin der Straßburger ASN-Abteilung, Sophie Letournel. Sämtliche Sicherheitssysteme im Akw seien doppelt vorhanden. "Das zweite Sicherheitssystem", sagte Letournel, "stand während der ganzen Zeit voll zur Verfügung." Ein sofortiges Herunterfahren des Reaktors sei ihrer Meinung nach nicht notwendig gewesen.
Claude Ledergerber, Vorstandsmitglied des trinationalen Atomschutzverbandes, fragte, ob die Verantwortlichen bewusst eine Notabschaltung vermieden hätten, weil ein Herunterfahren binnen weniger Sekunden die Materialermüdung begünstige. Monique Sené, die als unabhängige Atomphysikerin die Clis seit Jahren berät, bewertet die Abläufe ohnehin als problematisch. "Das ist nicht normal, dass hier ein Abfluss verstopft war. Ein nuklearer Unfall sei genau das: Eine Verkettung einzeln betrachtet scheinbar unbedeutender Details." Die Unterlagen des Betreibers würden nahelegen, dass die zuständige Person nicht genau gewusst habe, wie sie das Reservoir befüllen soll.
Die aktuelle öffentliche Debatte um die Stilllegung des Akw Fessenheim blieb unerwähnt. Vor Beginn der Sitzung hatten zunächst Akw-Befürworter, die Gegner der in Aussicht gestellten Schließung, vor dem Sitzungsort der Clis, der Präfektur in Colmar, demonstriert. Später machten atomkraftkritische Kräfte ihrem Unmut über die politische Entwicklung Luft. Der Grund: Die für die angekündigte Stilllegung des Akw Fessenheim zuständige Ministerin Ségolène Royal signalisierte völlig unerwartet, dass diese Stilllegung noch gar so klar sei. Noch vor wenigen Wochen schien es in Regierungskreisen unbestritten, dass das elsässische Akw bis zum Ende der Legislaturperiode 2016 vom Netz genommen werden soll. Royal hat sich im Laufe der Debatte zum neuen Energiegesetz im französischen Parlament von diesem Standpunkt distanziert.
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