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25-08-18
Rubrik: Pressebericht, Fessenheim
EINEN BLICK AUFS AKW...: Fessenheims Geschichte als Comic

...mit den Karikaturisten Laurence Mellinger und Dominique Meyer


Laurence Mellinger und Domenique Meyer vor dem Akw Foto: NÜCKLES

Das Treffen mit Laurence Mellinger und Dominique Meyer findet auf dem Parkplatz neben dem Wasserkraftwerk bei Fessenheim statt. Gleich nach dem Gespräch mit Bärbel Nückles soll noch ein Foto mit dem Atomkraftwerk im Hintergrund entstehen, das nicht weit entfernt ist. Der Countdown, bis das Akw für immer abgeschaltet wird, ist das Thema ihres gezeichneten Reportagebuchs. Seit fünf Jahren fehlen Melliner und Meyer deshalb bei keinem wichtigen Termin: Demonstrationen, Gerichtstermine, Überwachungskommission. Hunderte Zeichnungen sind entstanden. Spätestens wenn die Stilllegung tatsächlich passiert – 2019, 2020? – soll auch das Buch in einem Pariser Verlag erscheinen.

BZ: Sie besuchen beinahe jeden Termin zum Thema Akw Fessenheim. Wie erleben Sie diese Situationen?

Meyer: Was uns von den anderen unterschiedet, ist, dass wir uns alles als Bürger anschauen, wir haben kein technisches Spezialwissen, wir versuchen mit einem genauen Blick an das heranzugehen. Es ist jedes Mal wie ein Theaterstück, jeder erfüllt seine Rolle. Dabei fällt mir auf, dass die Leute aus der Nuklearbranche auf die anderen herabsehen, als wollten sie sagen, wenn Ihr Ahnung von der Sache hättet, würdet Ihr anders reden.

Mellinger: In der Überwachungskommission ist es so: Die Leute wollen alle noch etwas sagen, aber dann ist die Redezeit vorbei, sie werden unterbrochen, dann versuchen sie weiterzureden und man hindert sie daran.

Meyer: Die Kommission ist auch ein Spiel, das sich zeitverzögert zur Wirklichkeit verhält. Als Greenpeace das Akw besetzt hatte, stand in der Sitzung kurz danach ein Störfall im Akw vier Monate zuvor auf der Agenda. Das ist eine Form, Kritik kaltzustellen.

Die beiden sehen sich an und müssen lachen. Sie breiten die Skizzenbücher vor sich aus. Verschiedene Formate und Materialien sind zu sehen. Bleistift, Tusche. Teilweise stehen Kommentare neben den Zeichnungen.

BZ: Sprechen Sie Leute an, was Sie da machen? Man muss ja der Kommission angehören oder Journalist sein, um hineinzukommen.

Meyer: Wir haben uns quasi eingeschmuggelt. Man hat uns akzeptiert.

Mellinger: Es ist fast so, als gehörten wir jetzt dazu. Vielleicht ignoriert man uns ja einfach...

Meyer: ... das wäre auch nicht schlimm. Im Gegenteil, für unsere Arbeit ist es besser, wenn die Leute uns vergessen.

BZ: Was unterscheidet Sie von einem Fotografen?

Meyer: Zunächst wird man weniger ernst genommen (lachend), das ist wirklich gut.

Mellinger: Man rückt den Leuten nicht so schnell zu nahe wie mit einem Fotoapparat...

Sie blättern durch die Skizzenbücher, kleine Porträts sind zu sehen. Lauter markante Comic-Köpfe.

BZ: Die Zeichnung hat ja ein bisschen die Funktion wie bei Gericht, wenn die Kameras draußen bleiben. In der Überwachungskommission sind Fotografen erlaubt. Im Gegensatz zu Ihnen sind diese allerdings nur kurz vor Ort.

Mellinger: Eine Zeichnung ist ein Prozess, Fotos halten den Moment fest. Ich verdichte mitunter eine Dreiviertelstunde, halte, wenn man so will, die Zeit fest, die vergeht. Das erzählt etwas anderes als das Foto.

BZ: Wer sind Ihre Lieblingspersonen?

Meyer: Ich mag Cardoso (Anm. d. Red.: Jean-Luc Cardoso, ein Gewerkschafter der Akw-Belegschaft). Wir haben ihn auch zu Hause besucht. Er hat uns gleich gesagt: Im Grunde bin ich ja ein Öko. Seine Argumente sind typisch für die Widersprüche bei diesem Thema. Cardoso verteidigt seine Arbeit und glaubt, die Kosten der Atomenergie wären auf lange Sicht abgegolten. Er hat sogar Photovoltaikplatten auf seinem Dach. Er ist absolut überzeugt, dass das Akw sicher ist.

Mellinger: Für ihn kann es nicht angehen, das Akw stillzulegen, für ihn ist es rentabel.

Meyer: Wir haben aber auch mit Ingenieuren von EdF gesprochen, die gegen den neuen Reaktor EPR in Nordfrankreich sind und sagen, das sei finanzieller Irrsinn.

Mellinger: Madeleine ist für mich auch ein besonderer Fall.

BZ: Madeleine?

Mellinger: Madeleine ist eine Akw-Gegnerin, die in einem Dorf bei Fessenheim aufgewachsen ist. Sie dürfte so um die 70 sein. Irgendwann hat sie begonnen, Fragen zu stellen. Sie hat Flugblätter gelesen, hat sich informiert. Inzwischen ist sie gegen das Akw.

Meyer: Sie ist bei jeder Demonstration dabei.

Mellinger: Wenn ich sie treffe, erzählt sie mir ein neues Detail, das sie bei ihren Recherchen herausgefunden hat, etwas, das sie mir schon längst sagen wollte und das ihr in diesem Moment, wenn sie mich sieht, wieder einfällt.

BZ: Was halten Sie von den Deutschen in der Überwachungskommission? Von der Freiburger Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer beispielsweise?

Meyer: Mir gefällt die sehr gesetzte und bürgerliche Seite ihres Auftretens, ihre Beharrlichkeit und ihre Präzision, wie sie nachfragt. Sie ist diplomatisch, aber sie gibt in nichts nach. Da macht es Freude zuzuhören. Sie wägt jedes Wort ab, und dennoch sagt sie die Dinge mit Radikalität. Diese Art zu sprechen von einem französischen Vertreter – undenkbar.

Laurence Mellinger, 46, stammt aus Metz, Dominique Meyer, 48, ist gebürtiger Elsässer. Beide leben mit ihren Familien in Mulhouse. Sie ist bildende Künstlerin, er publiziert Zeichnungen und Karikaturen in verschiedenen französischen Printmedien (u.a. Charlie Hebdo). Das Fessenheim-Projekt ist für beide ein politisches Anliegen, bei dem alle wichtigen Stimmen zu Wort kommen sollen.


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