Was zahlt der landeseigene Energieversorger EnBW für das marode Atomkraftwerk Fessenheim? Von Grün-Rot bekommen die Landtagsabgeordneten dazu keine Auskünfte – das sollten sie sich nicht gefallen lassen. DANIEL GRÄBER
Die Parlamentarier des Umweltausschusses haben Landtagspräsident Guido Wolf um Hilfe gebeten. Quer durch die Fraktionen wollten sie das Mauern der grün-roten Regierung nicht kampflos hinnehmen. Es geht ihnen um die Frage, was und warum baden-württembergische Stromverbraucher für das französische Atomkraftwerk Fessenheim bezahlen. Ob der landeseigene Energieversorger EnBW dazu beiträgt, die von der Stuttgarter Regierung geforderte Stilllegung Fessenheims weiter hinauszuzögern. Und was davon eigentlich die beiden Minister im Aufsichtsrat des Energieversorgers EnBW wissen.
Von Nils Schmid (SPD) und Silke Krebs (Grüne) waren bislang kaum Auskünfte zum Fessenheim-Engagement der EnBW zu bekommen. Aufsichtsratsmitglieder sind nach dem Aktiengesetz zu Stillschweigen verpflichtet, heißt es stets zu Begründung. Das ist politisch absurd und rechtlich kaum haltbar. Denn damit stellt die Landesregierung ein Gesetz, das Angelegenheiten der Privatwirtschaft regeln soll, über die Verfassung.
Landtagspräsident Guido Wolf ließ die Angelegenheit juristisch prüfen und kommt zu einem ganz anderen Ergebnis als die Regierung. Nämlich dem, „dass dem Landtag und seinen Ausschüssen die gewünschten Informationen zur Verfügung gestellt werden können“, wie er an den Vorsitzenden des Umweltausschusses schreibt. Möglich wäre auch eine nichtöffentliche Sitzung. Falls es beim FessenheimGeschäft der EnBW wirklich um geheimhaltungsbedürftige Informationen geht.
Die grün-rote Regierung habe „die rechtlichen und organisatorischen Möglichkeiten, die dem Parlament zur Verfügung stehen, um die Vertraulichkeit sicherzustellen“ gar nicht in Erwägung gezogen, schreibt Wolf.
Die Streitfrage, welche Informationen Parlamentariern zustehen, ist eine elementare. Sie reicht weit über den Fall Fessenheim hinaus. „Der Landtag ist die gewählte Vertretung des Volkes.“ So steht es in der Verfassung Baden-Württembergs. Er „überwacht die Ausübung der vollziehenden Gewalt“. Dieses grundlegende Funktionsprinzip unserer Demokratie – das Parlament kontrolliert im Auftrag der Bürger die Regierung – kann und darf nicht durch das Regelwerk einer Aktiengesellschaft außer Kraft gesetzt werden. Vor allem dann nicht, wenn diese Aktiengesellschaft quasi ein Tochterunternehmen des Landes ist.
Baden-Württemberg kontrolliert seit dem Aktienrückkauf durch die Vorgängerregierung mehr als 90 Prozent der Unternehmensanteile. Die Regierung verfolgt damit keine wirtschaftlichen, sondern politische Ziele.
Aus dem Atomkonzern EnBW will sie einen „Versorger neuen Typs“ machen, wie Ministerpräsident Winfried Kretschmann in seiner Regierungserklärung 2012 versprach. „Wir wollen, dass die EnBW ein wichtiger Teil und dynamischer Treiber der Energiewende wird“, so der Regierungschef damals.
Passt dazu ein deutsch-französischer Kernkraftvertrag von 1972, wonach die EnBW womöglich 17,5 Prozent der Nachrüstungskosten übernehmen muss? Eine Millioneninvestition in ein altes, störanfälliges Atomkraftwerk, das direkt an der Grenze zu Baden-Württemberg steht? Erst diese Woche wurden in Frankreich wieder Stimmen laut, die das versprochene Fessenheim-Aus im Jahr 2016 anzweifeln. Die baden-württembergische Regierung wird nicht müde, von den Franzosen ein noch schnelleres Abschalten zu fordern. Aber den Vertretern ihres eigenen Volkes will sie nicht erklären, was dieses Abschalten wirtschaftlich für Baden-Württemberg bedeutet.
„Grundsätzlich besteht das Risiko, dass sich die EnBW an den Kosten für den Kraftwerksrückbau beteiligen muss“, heißt es im aktuellen Konzernbericht des volkseigenen Stromversorgers.
„Nach Ermessen der EnBW besteht jedoch dahingehend kein rechtmäßiger Anspruch des Kraftwerksbetreibers. Der Sachverhalt befindet sich in Klärung.“ Kraftwerksbetreiber ist der französische Staatskonzern EdF. Offenbar sind sich die deutschen und die französischen Vertragspartner nicht einig, wer für den Rückbau Fessenheims bezahlen muss. Auch deshalb wollen Landtagsabgeordnete wie der Lörracher Ulrich Lusche (CDU) den Vertrag sehen.
Dabei konnte ihnen der Unterstützungsbrief des Parlamentspräsidenten bislang nicht helfen. Der für die EnBW zuständige Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid hat ihn zwar gelesen, doch überzeugen ließ er sich nicht. In einer knappen schriftlichen Stellungnahme geht Schmid auf Wolfs Argumente gar nicht erst ein, sondern bittet um Verständnis, dass er an seiner Rechtsauffassung festhalte.
In anderen Bundesländern sind Landtagsabgeordnete in vergleichbaren Fällen schon vor die Verfassungsgerichte gezogen. Die Regierungen von Sachsen, Bayern und Nordrhein-Westfalen erlitten dort deutliche Niederlagen.