Hier der Link zum Originalbericht: http://badische-zeitung.de/suedwest-1/fessenheim-neuer-evakuierungsplan-ein-mammutprojekt--81726904.html
Würde sich in Fessenheim ein Atomunfall ereignen, müssten innerhalb von 24 Stunden etwa 250.000 Menschen evakuiert werden – so sieht es eine neue Richtlinie vor. Wie das gehen soll? Das weiß niemand.
Drei Jahre nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima hat die von der Bundesregierung eingesetzte Strahlenschutzkommission erweiterte Sicherheitszonen um Kernkraftwerke gefordert: Die "Zentralzone" soll in Deutschland von zwei auf fünf Kilometer und die "Mittelzone" von zehn auf 20 Kilometer erweitert werden. Würde sich in Fessenheim ein Atomunfall ereignen, müssten innerhalb von 24 Stunden etwa 250.000 Menschen evakuiert werden. Wie das gehen soll, weiß in Baden-Württemberg noch niemand so richtig.
Innenministerium will abwarten
Beschlossen sind die vergrößerten Evakuierungszonen in Deutschland zwar noch nicht. Die Empfehlungen der Strahlenschutzkommission werden erst an die Innenminister der Länder weitergeleitet. Sie sind für die Verabschiedung der Regeln zuständig – ihre Zustimmung gilt als wahrscheinlich. Am Wochenende befürwortete bereits Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) die Vorschläge.
Vom Innenministerium in Stuttgart ist am Montagnachmittag noch nicht viel zu hören. Man müsse zunächst einmal abwarten, was letztlich überhaupt auf dem Tisch liege, erklärt Pressesprecher Andreas Schanz knapp.
"Es wird keiner bestreiten, dass der ernsthafte Versuch, Hunderttausende Menschen zu evakuieren, eine sehr heikle Geschichte wäre." Joachim Müller-Bremberger
Beim Regierungspräsidium Freiburg ist man auch nur ein kleines bisschen weiter. Das Akw Fessenheim im Elsass liegt bekanntlich nicht weit entfernt. Bei der bisherigen Schutzzone von zehn Kilometern um Fessenheim waren es knapp 50.000 Menschen, die es im Fall eines schweren Atomunfalls zu evakuieren galt. Durch die Verdopplung dieser "Mittelzone" aber könnte das nun fünfmal so viele Menschen betreffen. "Es wird keiner bestreiten, dass der ernsthafte Versuch, Hunderttausende Menschen zu evakuieren, eine sehr heikle Geschichte wäre", sagt Pressereferent Joachim Müller-Bremberger. Zusammen mit den Landratsämtern ist es Aufgabe des Regierungspräsidiums, die Katastropheneinsatzpläne vorzubereiten. Aus dem Ärmel sei solch ein Projekt aber nicht zu schütteln, bremst Müller-Bremberger Erwartungen, "das bedarf einer strategischen Planung, die wohl Jahre dauern wird".
Schließlich gehe es nicht nur darum, die Menschen zu evakuieren, sondern es müssten auch Sammelstellen und Notunterkünfte eingerichtet werden. Wohin mit 250.000 Menschen? Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. Obwohl bereits in den vergangenen Jahren auch vonseiten des Regierungspräsidiums, wie von Atomkraftgegnern gefordert, über eine Vergrößerung der Schutzzone nachgedacht wurde, hat sich planungstechnisch seitdem nicht viel getan. Man habe "bundesweite Entscheidungen abwarten wollen", bestätigt Müller-Bremberger.
"Bei der Frage, wo man diese Menschen schließlich versorgt und beherbergt, stößt eigentlich jede Behörde an ihre Grenzen." Axel Mayer
Für Axel Mayer, Geschäftsführer des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND) südlicher Oberrhein, sind die Pläne ein "Trippelschritt in die richtige Richtung". Für ausreichend hält er die vergrößerte Schutzzone gleichwohl nicht. Er glaubt, dass sich die radioaktive Strahlung durch starken Wind oder Regen noch viel weiter verbreiten kann. Knapp eine viertel Million Menschen innerhalb von 24 Stunden zu evakuieren, ist auch aus seiner Sicht äußerst schwierig. "Und bei der Frage, wo man diese Menschen schließlich versorgt und beherbergt, stößt eigentlich jede Behörde an ihre Grenzen."
Umweltministerin Hendricks ließ verlauten, dass ein Atomunfall wie Fukushima "praktisch auszuschließen" sei. Für übertrieben hält sie die Forderungen der Strahlenschutzkommission aber dennoch nicht. "Die Katastrophenschutzplanungen müssen unabhängig von kerntechnischen Eintrittswahrscheinlichkeiten stattfinden." Zudem empfahl Hendricks, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, angesichts grenznaher Atomkraftwerke die Notfallplanungen in Europa zu harmonisieren.
Beznau und Leibstadt liegen ebenfalls vor der Haustüre
Fessenheim soll 2016 vom Netz gehen, das hat Frankreichs Präsident François Hollande schon vor einiger Zeit gesagt. Ob es wirklich so kommt, weiß niemand. Auch darum fordert Umweltaktivist Axel Mayer von der Regierung, "dass der Katastrophenschutz noch in dieser Legislaturperiode realistisch umgesetzt wird".
Schließlich ist es nicht nur das Akw Fessenheim, das in Südbaden immer wieder für hitzige Diskussionen sorgt. Auch die Schweizer Kernkraftwerke Beznau und Leibstadt liegen nicht weit von Waldshut-Tiengen entfernt. "Im Falle einer nötigen Evakuierung wären davon auch mehrere Zehntausend bis Hunderttausend Menschen betroffen", sagt Müller-Bremberger.
Online Kommentare
Die veröffentlichten Kommentare geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.
Axel Mayer: 10. März 2014 - 22:59 Uhr
Mehr Infos zum Thema Katastrophenschutz:
vorort.bund.net/suedlicher-oberrhein/katastrophenschutz-fessenheim-akw.html
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Gustav Rosa: 11. März 2014 - 01:10 Uhr
Lieber heute demonstrieren,
statt morgen evakuieren!
oder:
Lieber heute aktiv,
als morgen radioaktiv.