Gründe werden keine genannt. Thierry Rosso (50) verlässt das Atomkraftwerk Fessenheim mit sofortiger Wirkung. Weshalb der gebürtige Südfranzose, der das AKW seit Januar 2011 leitete, versetzt wird, darüber schweigt sich sein Arbeitgeber Electricité de France (EdF) aus. Es wird nur mitgeteilt, dass Rosso neue Aufgaben im Konzern übernehmen werde und dass seine Aufgaben ab sofort sein bisheriger Stellvertreter Marc-Simon Jean übernimmt. Dass die Abberufung mit der jüngsten öffentlich gemachten Kritik der französischen Atomaufsichtsbehörde Autorité de Sûreté Nucléaire (ASN) zusammenhängt, lässt sich immerhin vermuten. Missfallen hatte der ASN Rossos Krisenmanagement bei einem Wasserrohrbruch am 28. Februar, bei dem im nichtnuklearen Teil des Kraftwerks 100000 Liter Wasser ausgelaufen waren, was zu Schäden an elektrischen Einrichtungen geführt hatte. Der Grund des Rohrbruchs blieb unklar, das Leckwurde geflickt und das Rohr brach einen Meter weiter beim Wiederhochfahren der Anlage im Beisein von ASN-Fachleuten am 5. März erneut. Dass überdies auf einen daraufhin ausgelösten Alarm im Haus niemand reagierte, löst bei den Vertretern der Behörde zusätzliches Unverständnis aus.
Zwar wiederholt sich der Führungswechsel nach vier Jahren im ältesten, störanfälligsten und umstrittensten AKW Frankreichs - auch Rossos Vorgänger Jean-Philippe Bainier, der das AKW von 2007 bis 2011 geleitet hatte, verabschiedete sich nach dem nahezu gleichen Zeitraum. Die Abschiedsfeier für Thierry Rosso am 30. März, von der die Elsässer Zeitung Dernières Nouvelles d’Alsace (DNA) berichtet, scheint dennoch ziemlich kurzfristig anberaumt worden zu sein, war doch am Standort selbst zwei Wochen vorher offenbar noch niemand informiert. So wurde in der Fessenheimer Kommunikationsabteilung auf Anfrage des Sonntag zum ASN-Protokoll vom 12. März mitgeteilt, als Sprecher des AKW fungiere derzeit der Direktor selbst. Von einem bevorstehenden Wechsel war indes noch keine Rede gewesen.
Bevor ihm die Leitung von Fessenheim übertragen worden war, war Rosso Direktor des Öl-Kraftwerks Aramon bei Avignon. Einen leichten Job hatte er im Elsass nicht angetreten, kam es doch nur zweieinhalb Monate nach seinem Amtsantritt zur Katastrophe von Fukushima. Kurz vor seiner Versetzung hatte Rosso am 12. März noch einmal Überraschungsbesuch von UMP-Chef Nicolas Sarkozy.
ANNETTE MAHRO