Wenn es zu einem Reaktorunfall im französischen Atomkraftwerk Fessenheim kommt, muss ganz Freiburg geräumt werden. Diese Regelung gilt seit 2014, damals wurden die Evakuierungszonen ausgedehnt. Doch aktualisierte Planungen für den Notfall gibt es nach wie vor nicht – und auch keinen Zeitplan, bis wann diese fertig sein sollen. Zudem ist schon jetzt klar, dass die Ausgabe von Jodtabletten personell an Grenzen stoßen wird. Die Fraktionen im gemeinderätlichen Umweltausschuss zeigten sich beunruhigt. Auch an der Stadtverwaltung gab es Kritik.
Infobroschüre von 2009
Ganz unvorbereitet sei das Regierungspräsidium (RP) auf den Super-Gau selbstverständlich nicht, betonte RP-Mitarbeiterin Ama Klein in der Sitzung des Umweltausschusses ein ums andere Mal. Die bisherigen Planungen lägen weiterhin vor und könnten jederzeit umgesetzt werden. Doch diese beziehen sich auf die Zeit vor 2014. Damals gehörte Freiburg noch gar nicht komplett zur Evakuierungszone. Auch eine Infobroschüre, mit der sich die Bürger vorbereiten sollen, befindet sich auf dem alten Stand. Sie liegt im städtischen Bürgeramt aus, ist im Internet zu finden, und stammt aus dem Jahr 2009. Deshalb sind darin für Freiburg zum Beispiel auch noch keine Sammelstellen für die Evakuierung aufgelistet.
Doch wann liegen die aktualisierten Einsatzpläne endlich auf dem Tisch? CDU-Stadträtin Sylvie Nantcha (CDU) hakte in der Sitzung gleich mehrmals nach – doch Ama Klein ließ sich nicht festnageln. Es werde "noch einige Zeit" dauern, sagte sie lediglich.
Wenn es zu einem Reaktorunfall kommt, wird die Bevölkerung mit Sirenen, Lautsprecherdurchsagen und über Radio und Fernsehen informiert. Auch eine vorgefertigte Pressemitteilung gibt es bereits. Das klinge alles viel zu theoretisch, meinten mehrere Stadträte.
Was passiert bei einer Massenpanik?
Im Katastrophenfall würden die Menschen "nicht nach Checklisten" handeln, sagte Grünen-Stadtrat David Vaulont: "Was passiert, wenn es zu einer Massenpanik kommt?" Auch eine Pressemitteilung hielt er für realitätsfern: Die Nachrichten würden sich im Handumdrehen über das Internet verbreiten, der Verkehr werde zusammenbrechen. Tatsächlich gehe auch das RP davon aus, dass es ein Verkehrschaos geben wird, sagte Ama Klein. Das sei für die Behörde kein Grund, gar nicht zu planen: "Wir wollen in unserem System Herr der Lage bleiben."
Wenn der Katastrophenfall eintritt, soll die Bevölkerung auch mit Jodtabletten versorgt werden. 2,5 Millionen Tabletten lagern dafür in Freiburg – der Ort ist geheim. Grund: Die Bevölkerung soll die Tabletten nicht dort abholen, sondern an den Ausgabestellen.
Ausgabe von Jodtabletten problematisch
Dafür seien die Wahllokale vorgesehen, erklärte Philipp Golecki vom Amt für Brand- und Katastrophenschutz. Im Grunde sei jedoch schon jetzt klar, dass dies gar nicht zu stemmen sein werde – dafür gebe es viel zu wenige Mitarbeiter, die zur Ausgabe der Tabletten berechtigt sind. Die Stadtverwaltung plädiere dafür, dass die Jodtabletten präventiv an alle Haushalte verteilt würden, sagte Golecki. Diese Entscheidung liege jedoch beim Innenministerium. Wer sichergehen will, könne sich auch selbst mit Jodtabletten versorgen, diese seien rezeptfrei in der Apotheke zu bekommen.
"Es kann morgen soweit sein – und kein Mensch weiß, was zu tun ist", kritisierte Stadträtin Ulrike Schubert (Unabhängige Listen). Die Bevölkerung sei schlecht informiert, was sie im Katastrophenfall tun solle. Bereits 2011, nach dem Atomunfall von Fukushima, habe der Gemeinderat gefordert, dass mehr getan werden müsse. Denn es reiche einfach nicht, so Schubert, "an drei Stellen Broschüren auszulegen". Auch die Stadtverwaltung müsse sich mehr engagieren, forderte sie – etwa in Form von Veranstaltungen. Umweltbürgermeisterin Gerda Stuchlik wies die Vorwürfe zurück. Die Stadt habe sich immer sehr für das Thema eingesetzt und sich stets klar für die Abschaltung von Fessenheim positioniert, sagte Stuchlik. Veranstaltungen für die Bevölkerung zu organisieren, mache keinen Sinn, "solange es nichts Neues gibt".