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06-07-14
Rubrik: Pressebericht, Fessenheim
Lieber ein neues Kraftwerk

FESSENHEIMS Bürgermeister warnt vor der Stilllegung des AKW


In Fessenheim hängen rund 2000 Arbeitsplätze und deutlich mehr als 50 Prozent der Steuereinnahmen vom Atomkraftwerk ab. Eine Studie warnt nun vor wirtschaftlichem Niedergang im Falle der angekündigten Stilllegung. Bürgermeister Claude Brender möchte das AKW mindestens 60 Jahre laufen lassen und im Anschluss am liebsten gleich ein neues bauen.

Herr Brender, die jüngst veröffentlichten Zahlen in der Studie des französischen Statistikamtes Insee waren für Sie nicht neu, nehme ich an?
Nein, es gab 2012 schon eine von den Gewerkschaften beauftragte Studie, die zu ähnlichen Ergebnissen kam. Sie war sogar etwas vollständiger als die jetzt vorgelegte. Damals war von etwas mehr als 2000 Arbeitsplätzen die Rede, die bei einer Schließung des Kraftwerkswegfielen. Insee rech-
net mit etwas weniger direkt Betroffenen. Es gibt ja zwischen 800 und 850 EdF-Vollzeitbeschäftigte und dazu vielleicht 200 Dienstleister, die im Kraftwerk arbeiten. Dann gibt es noch die gut 500 Arbeitsplätze der Subunternehmer und schließlich noch einmal so viele direkt von den Beschäftigten abhängige Arbeitsplätze. Von ihnen lebt ja auch die lokale Wirtschaft.
Wie viele Einwohner Fessenheims sind beim AKW beschäftigt und wie hoch sind die Gewerbesteuereinnahmen, die daraus an die Kommune fließen?
In Fessenheim wohnen 180 bis 200 Familien mit mindestens einem AKW-Beschäftigten. Da kommen wir alles in allem inklusive der abhängigen Arbeitsplätze auf 25 Prozent der Bevölkerung. Bei den Haushalten rechnet man in Frankreich mit durchschnittlich zwei bis zweieinhalb Personen, eine Zahl, mit der man die gut 2000 Betroffenen multiplizieren muss. An Gewerbesteuern beziehen wir etwa 2,8 Millionen Euro im Jahr aus dem Kraftwerk.
Sie sind erst seit März Bürgermeister von Fessenheim. Hat das Thema Abschaltung bei der Wahl eine Rolle gespielt?
In diesem Punkt gab es keinerlei Differenzen. Wir sind hier alle für den Weiterbetrieb.
Wie lange könnte man Ihres Erachtens das AKW dennnoch weiterbetreiben? Es läuft ja schon seit 1977.
Wir gehen davon aus, dass die Anlage gut und gerne 60 Jahre laufen könnte, also bis 2037 oder auch 2040. Demnach wären wir jetzt etwa bei der Halbzeit.
Und danach? Was hat die Gemeinde für die Zeit nach dem AKW vorgesehen?
Im Moment gar nichts. Da gibt es aber auch nicht viel, was wir vorsehen könnten. Wir haben gar kein Land, auf dem wir andere Unternehmen ansiedeln könnten. Solange das Kraftwerk läuft, steht auch das EdF-Grundstück nicht zur Verfügung. Am besten wäre es meines Erachtens, hier weiter Elektrizität zu produzieren, wir haben ja die ganze notwendige Infrastruktur. Wenn wir unsere Centrale Nucléaire eines Tages ersetzen müssen, wäre es uns am liebsten, ein neues AKW zu bekommen, aus einer neuen Generation.
Eine andere Form der Energiegewinnung wäre für Sie nicht denkbar?
Wir wollen ganz sicher weder Gas noch Öl, noch Kohle. Das wäre eine deutlich schlimmere Verschmutzung als das, was wir heute haben. Wir wollen keine Energiewende nach deutschem Muster. Etwa beim Gas sind die Konsequenzen der klimatischen Veränderungen aufgrund des CO2-Ausstoßes schließlich schlimmer als die einer atomaren Katastrophewie in Tschernobyl oder Fukushima.
Denken Sie das im Ernst?
Aber ja. Irgendwann ist der ganze Planet betroffen, von der Klimaerwärmung mit allen ihren katastrophalen Folgen und der Gletscherschmelze.
Es gibt auch erneuerbare Energieträger...
Ja, natürlich, aber das ist doch alles noch marginal, selbst in Deutschland. Da werden mit Windkraft und Solaranlagen noch keine 30 Prozent erreicht. Wie viele Windräder und Solarpanels man noch brauchen würde, um auf 100 Prozent zu kommen, das ist ja unvorstellbar.
In Sachen Atomkraft hat man allerdings auch ein kleines Problem mit dem Müll.
Bei der chemischen Industrie auch. Da wird ja auch nicht recyclebarerund gefährlicher Müll produziert. Das erschreckt aber niemand. Ganz anders ist es beim Atommüll. Warum einmal so und einmal anders? Ich würde auch sagen, jede Produktion hinterlässt Abfall, oder fast jede.
Und wie sieht es mit dem Versprechen von Präsident François Hollande aus,Fessenheim bis 2016 abzuschalten?
Die Regierung haben wir noch drei Jahre und es ist keinesfalls sicher, ob es zur Abschaltung kommt. Es hängt ja auch davon ab, ob sie EdF überzeugt. Sie können meinetwegen andere Kraftwerke abschalten. Bei uns ist ja vor zwei Jahren alles auf den neuesten Stand gebracht worden. Insofern haben wir heute in Sicherheitsfragen eine der modernsten Anlagen Frankreichs.
Immer noch angenommen, sie wird trotzdem geschlossen. Es muss doch irgendeinen Plan B für den Standort geben.
Dann werden wir mit EdF und dem Staat verhandeln, wie man den Ausfall kompensieren kann.
Die Ausfälle betreffen auch die Gemeinden im Umland. Wenn das AKW schließt, gibt es auch kein Geld mehr für unsere kommunalen Ausgaben. Wir müssten dann Ausgleichszahlungen bekommen.
Es stand ja bereits der Vorschlag eines binationalen Gewerbeparks in Fessenheim im Raum...
Das ist richtig. Aber wir haben, wie gesagt, kein Land. Selbst wenn das Kraftwerk schließt, muss man ja mit einer Rückbauzeit von 20 oder 30 Jahren rechnen. Und die Arbeitsplätze, von denen da immer gerne gesprochen wird, bringen uns kaum weiter, das sind vielleicht noch zehn Prozent der heutigen – und anderer Art.

DAS GESPRÄCH FÜHRTE ANNETTE MAHRO


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