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01-11-15
Rubrik: Pressebericht, Fessenheim
Sieger unter sich

40 Jahre nach dem Streit um das AKW ist WYHL stolz auf seine regenerativen Energien

Vor rund 40 Jahren begann die Auseinandersetzung um das Atomkraftwerk in Wyhl. Am Donnerstag hat die Badische Zeitung Zeitzeugen und Experten für ein Podiumsgespräch in der Festhalle Wyhl zusammengebracht.

MICHAEL HABERER

Wyhl ist ein Erinnerungsort Baden-Württembergs, sagt Michael Wehner von der Landeszentrale für politische Bildung. Ohne Wyhl gäbe es keine Energiewende. In Wyhl hat ein Siegeszug begonnen. Dafür bekam der Protest im Wyhler Wald Kultstatus, und man kann in einer vollen Halle vor applaudierenden Menschen einer Zeit gedenken, als die Polizei die Demonstranten aus den Erdlöchern zerrte.
Bürgerinitiativen und Widerstand von unten sind en vogue geworden. Axel Mayer, BUND-Geschäftsführer und Kreisrat, der auch auf dem Podium sitzt, spricht vom "Alemannenzorn". Die Atomkraftwerke werden abgeschaltet.
Die ganze Halle ist voll Sieger. Auch Wolfgang Lang, ehemaliger Leiter der Schutzpolizei, erzählt, dass er inzwischen zum Atomkraftgegner geworden ist. Und die Sieger schreiben die Geschichte.
Thomas Schnabel, Leiter des Hauses der Geschichte Baden-Württemberg, spricht von der Versuchung, sich für die Kernkraft zu entscheiden. Er verweist auf Neckarwestheim. „Die schwimmen im Geld.“ Seine ganzen Ausführungen zur Geschichte des letztlich gescheiterten Kraftwerksbaus in Wyhl dokumentieren eine Erfolgsgeschichte.
Im Saal steht Jean- Jacques Rettig, Veteran der Antiatombewegung und Urgestein der Badisch-Elsässischen Bürgerinitiativen, auf und lobt, wie damals die Menschen aus ganz unterschiedlichen Milieus an einem Strang gezogen und das AKW Wyhl verhindert haben. Er fordert das Publikum auf, weiter zu kämpfen gegen das AKW Fessenheim und die "verbohrte Atomlobby in Frankreich", und erntet Applaus. Von den französischen Gewerkschaften, die heftig für dem Atommeiler in Fessenheim streiten, ist niemand anwesend. Die Sieger diesseits des Rheins und ihre Verbündeten von der anderen Seite sind unter sich.
Für eine ausgewogene Betrachtung ist es selbstverständlich nötig, die Position der anderen Seite zu würdigen. Die Wyhler stimmten mehrheitlich für den Verkauf des Baugeländes an den Atomkraftwerksbetreiber, da man sich viel von der neuen Industrie vor der Haustüre versprach. Bernd Nössler von den Badisch-Elsässischen Bürgerinitiativen, der als Bäcker in die Widerstandsgeschichte einging, spricht von der Arbeitslosigkeit, die damals in seinem Dorf herrschte. Das ist heute anders.
Bürgermeister Joachim Ruth stellt eine Gemeinde vor, der es gut geht und in der dank Biogas und Solar 77 Prozent der verbrauchten Energie selbst produziert wird. Auch ohne Grüne im Gemeinderat, wie Ruth anmerkt. Nössler spricht von Versöhnung. Die unsichtbare Mauer im Dorf wie früher gebe es nicht mehr. Friedel Bieselin von der Bürgerinitiative Weisweil berichtet in ihrer unnachahmlichen Art, wie sie sich damals schlau gemacht haben über die Gefahren der als harmlos gepriesenen Atomkraft. Sie schildert, wie sie die Leute um sich herum bis hin zu ihrem Ehemann mit Überzeugungsgabe und Fasnachtsküchle mobilisiert hat. Nössler erzählt, wie in der gleichen Halle die Experten von Badenwerk den Leuten darstellten, dass ein Atomkraftwerk so einfach wie ein Teekessel funktioniert. Gleichzeitig hätten die Leute aus den umliegenden Gemeinden, die nicht reindurften, angesichts der „Volksverarschung“ gegen die Hallenfenster getrommelt.
Ganz rund ist die Siegesgeschichte noch nicht. Lang erklärt, dass der Polizeieinsatz im Wyhler Wald bundesweit in die polizeiliche Taktik Eingang gefundenhat. Aber immernoch sei die Frage offen, wie die Polize vorgehen soll, wenn die bodenständige Bevölkerung sich massiv gegen irgendeine Maßnahme wehrt. "Die Frage ist noch nicht beantwortet", sagt Lang. Wehner weist Mayer auf die teils markigen Ankündigungen der AKW-Gegner und das Hohelied auf die Illegalität hin. Das Ergebnis einer Abstimmung in einem 30-Kilometer-Radius hätte er akzeptiert, versichert Mayer. Er hätte also eine demokratische Mehrheitsentscheidung gegen sein "Nai" hingenommen. Außerdem seien sie nicht nur dagegen gewesen, sondern hätten auch Ja zur Solarenergie und zur trinationalen Verständigung gesagt. Zudem hält Mayer den "gelebten Regionalismus" für ein notwendiges kleines Gegenfeuer zum großen Nationalismus.


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