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28-04-15
Rubrik: Pressebericht, Fessenheim
"Wiedergeburt der Anti-AKW-Bewegung"

Mehrere tausend Menschen fordern in Fessenheim die Abschaltung des ältesten französischen AKW / Forderungen der Grünen an Präsident Hollande.


So sieht Karikaturist Bert Kohl die Auseinandersetzung um die Sicherheit im AKW Fessenheim. Foto: Bert Kohl

MARKGRÄFLERLAND/FESSENHEIM. Zur Erinnerung an den 26. April 1986, an die Atomkatastrophe von Tschernobyl, waren am Sonntag mehrere tausend Demonstranten vor das Tor des AKW Fessenheim gezogen (die Veranstalter sprachen von 4000 Menschen). Ein Erfolg für die Organisatoren, aber angesichts von über einer Million potenziell Betroffener doch sehr wenig. Was zeigt, dass die meisten Menschen in der unmittelbaren Nachbarschaft des AKW denken: Es wird schon nichts passieren.
In den Gymnasien des Kreises Breisgau-Hochschwarzwald ist man auf Katastrophen bestens vorbereitet. Ob Feuer oder Amoklauf – für alles gibt es Alarmpläne, Sicherheitsbeauftragte und Verhaltensmaßregeln. Was nicht passieren darf, ist ein Unfall im Atomkraftwerk Fessenheim. Ereignete sich ein solches Unglück während der Schulzeit, würde das Chaos ausbrechen: Eltern würden versuchen, ihre Kinder aus der Schule zu holen; die Straßen wären blockiert, der Verkehr würde zusammenbrechen.

Wie die ersten Stunden nach einem Unfall in Fessenheim aussehen würden, dazu braucht es wenig Phantasie: Der Unglücksfall in Tschernobyl vor 29 Jahren hat die unmittelbaren und mittelbaren Folgen einer Atomkatastrophe jedermann vor Augen geführt. Und im AKW am Rhein mehren sich die Störfälle, der Reaktordruckbehälter könnte innen schon spröde geworden sein, und trotz Nachrüstungen ist die Gefahr durch Erdbeben, Überflutung oder Flugzeugabsturz nicht gebannt.

Der Machtwechsel an der Spitze Frankreichs vor drei Jahren gab zunächst berechtigte Hoffnung auf ein absehbares Ende der Atomstromproduktion in Fessenheim. Doch von der Zusage des Präsidentschaftskandidaten François Hollande, das Werk bis zum Ende seiner Amtszeit abzuschalten, ist nach seinem Wahlsieg 2012 kaum noch etwas zu hören. Ob die französische Regierung sich doch noch dazu durchringt, wird immer fraglicher; alle Signale aus Paris bestätigen die Befürchtungen der Gegner von Fessenheim: Das älteste AKW in Frankreich soll über die geplante Betriebszeit von 40 Jahren hinaus weiter Strom produzieren.

Bei den französischen Nachbarn ist die Diskussion über die Zeit nach dem Ende der Atomenergie noch nicht gelaufen; die lautesten Rufe "Abschalten-jetzt" kommen immer noch von südbadischer Seite. "Da gibt es in Frankreich viele Irritationen, dass Deutsche ins Elsass kommen und hier das Ende für einen französischen Reaktor fordern", sagt Denis Baupin, grüner Abgeordneter in der Nationalversammlung in Paris und einer der Vize-Präsidenten des Parlaments. "Dabei haben sich die Franzosen beschwert, dass sie nicht konsultiert wurden, bevor in Deutschland das Aus für den Atomstrom beschlossen wurde", fügt er schmunzelnd hinzu.

Denis Baupin stellt sich als letzter Redner auf die improvisierte Bühne vor dem Tor des AKW. Ein nicht eben alltäglicher Anblick: ein ranghoher Politiker mit blau-weiß-roter Schärpe auf einer Anti-AKW-Demo. Als Grüner ist er für eine Energiewende ohne Atom, und er hat gute Argumente dafür: "Bisher hat man die Franzosen belogen und ihnen erklärt, Atom sei sicher, billig und garantiere die Unabhängigkeit Frankreichs in Sachen Energie. Doch nichts davon stimmt: Das Uran kommt zu 100 Prozent aus dem Ausland; die Folgekosten sind noch gar nicht abzuschätzen – von den Kosten eventueller Unfälle ganz zu schweigen, und sicher ist Atomkraft bestimmt nicht, auch die französischen Behörden beginnen das zuzugeben."

Noch kämpferischer gibt sich sein Vorredner, der Schweizer Nationalrat Rudi Rechsteiner. Hier in der Region lebten die Menschen " wie ein Gefangener in einem texanischen Todestrakt, der seinen Hinrichtungstermin nicht kennt und hofft, mit dem Leben davon zu kommen". Zwischen den insgesamt sieben Schweizer und den französischen Reaktoren zu leben, erhöhe das Risiko, einen Unfall mitzuerleben, auf etwa acht Prozent. "Niemand von uns würde in ein Flugzeug steigen, wenn man mit acht Prozent statistischer Wahrscheinlichkeit abstürzt." Eine Industrie, die in den letzten 40 Jahren fünf Kernschmelzen verursacht habe, sei nichts anderes als ein "Serienmörder". Wer solche Werke weiter laufen lasse, mache sich des vorsätzlichen Massenmordes schuldig, so Rechsteiner.

Zu denen, die nichts von der Gefahr wissen wollen, gehörten auch viele europäische Abgeordnete, berichtete die grüne Abgeordnete im EU-Parlament, Rebecca Harms. Bisher habe es nie eine direkte Subventionierung von AKW-Bauten gegeben; jetzt seien Abgeordnete bereit, für einen neuen britischen Atomreaktor Baukostenzuschüsse aus europäischen Geldern zu genehmigen. Deswegen verlangte sie eine "Wiedergeburt der Anti-AKW-Bewegung".

Für Frankreichs Grüne ist klar: Wenn Präsident Hollande für eine Wiederwahl ihre Stimmen will, müsse er seine Zusage einhalten und Fessenheim vor dem Ende seiner Amtszeit 2017 schließen. Um den Prozess zum Laufen zu bringen, so sagte Denis Baupin, müsse das staatliche Energieunternehmen EdF bis Ende 2015 die Abschaltung beantragen. In Frankreich hatte man diskutiert, bei Inbetriebnahme eines neuen Reaktors in Flamanville das älteste AKW, also Fessenheim, vom Netz zu nehmen. Doch Flamanville wird nach 2017 fertig. "Nun ist die politische Initiative von Hollande gefragt, das Ende von Fessenheim herbeizuführen", so Denis Baupon, "und er wird wissen, dass wir dann nicht in die Epoche von Kerzen und Laternen zurückfallen werden."


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