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26-10-15
Rubrik: Pressebericht, Fessenheim
Nachdenken über die Zeit nach Fessenheim

Ehemaliger französischer Politiker spricht nicht von einer gezielten Politik seines Landes für ein Ende des Atomkraftwerks.


Der Referent des Abends: Charles Buttner Foto: Rainer Ruther

BAD KROZINGEN. Sie haben es nicht leicht, die Mitglieder der Europa-Union, die sich für die europäische Einigung starkmachen. Denn derzeit passen die Wörter "Europa" und "Union" so gut zusammen wie Feuer und Wasser. Wie gut, dass es in dieser Situation Baden und das Elsass gibt, mit zahlreichen guten Kontakten über den Rhein hinweg. Doch in Sachen Fessenheim scheinen diese Kontakte wenig zu bedeuten.

Doch Martin Singler, der Stadtverbandsvorsitzende der Europa-Union, war am Freitagabend enttäuscht über die lichten Reihen der Zuhörer und über die Absagen aller Bürgermeister der Region. Nur Claude Brender, Bürgermeister aus Fessenheim, saß in der ersten Reihe, als einer der früheren Honoratioren im Elsass, Charles Buttner, seinen Vortrag begann. Thema: "Fessenheim – was kommt danach? Aktueller Stand der Planungen der französischen Regierung und die möglichen Folgen der Entwicklung für die Infrastruktur und die wirtschaftliche Situation im Oberelsass". Buttner stellte einen Aspekt in den Vordergrund: Woher kommt künftig die Energie für das Elsass?

Wer sich Insiderinformationen erhofft hatte über die Abschaltung von Fessenheim oder Einsichten in die Diskussion um dieses Thema in Frankreich, wurde jedoch enttäuscht. Buttner ist ehemaliger Präsident des Department-Rats im Oberelsass. Doch Volksvertreter in Department und Region hätten wenig zu sagen, so Buttner – das meiste werde in Paris entschieden, auch und ganz besonders die Energiepolitik, sagte er.

Buttners zentrale These: Das Elsass braucht nach der Abschaltung von Fessenheim ein Gas-Heizkraftwerk von 900 Megawatt Leistung. Auf eine mögliche dezentrale Lösung, bei der Strom anderswo produziert und in ein Netz eingespeist wird, ging er nicht ein. Buttner ließ strukturelle Probleme Frankreichs bei der Industrie und der Energieversorgung nur kurz anklingen. Es waren elsässische Atomkraftgegner im Publikum, die bei der anschließenden Aussprache auf den Nachhol- und Modernisierungsbedarf hinwiesen.

Ein Zuhörer meinte, dass im französischen Atomsektor Geld verschwendet werde. Ein Offshore-Windpark mit 2000 Megawatt Leistung, wie er auch in französischen Gewässern entstehen könnte, sei für drei Milliarden Euro zu bekommen. Die Baukosten für den neuen Reaktor in Flamanville lägen jetzt bereits bei zehn Milliarden Euro, und niemand wisse, wie viel es am Ende sein werden und ob der Reaktor überhaupt je in Betrieb gehen werde.

Zusammenarbeit läuft noch nicht


Charles Buttners Vortrag zeigte, dass man sich in Frankreich noch wenige Gedanken darüber macht, wie die Energieversorgung ohne Atomkraftwerke aussehen oder wie es nach der Schließung Fessenheims weitergehen könnte.

Frankreichs neues Energiewendegesetz sieht eine Deckelung der Atomstromerzeugung auf 63,2 Gigawatt vor. Würde Flamanville also irgendwann aufgeschaltet, müssten dafür andere Atomkraftwerke abgeschaltet werden – erster Kandidat dafür ist wohl Fessenheim. Nach einer Studie, die Charles Buttner zitierte, würden im Werk rund 800 Arbeitsplätze wegfallen, dazu gäbe es etwa 1200 indirekt Betroffene. Im finanziell klammen Frankreich mit seiner hohen Arbeitslosenquote werde auf diesen Faktor stark geachtet.

Höchste Stellen in Baden-Württemberg, darunter Ministerpräsident Kretschmann, haben Unterstützung angeboten. Doch bisher reagiert die französische Seite wohl nicht. Der Gewerbepark Breisgau habe konkrete Angebote unterbreiten wollen, um sich in die Gegend um Fessenheim zu erweitern, berichtete ein Zuhörer; doch seien die Vertreter des Parks an einer Mauer der französischen Bürokratie gescheitert.

"Für die weitere Entwicklung der Region Fessenheim tragen auch wir als Nachbarn Verantwortung", betonte Martin Singler. Es scheint so, als müsse sich die vielbeschworene Nähe in dieser Frage erst noch bewähren.

  Online Kommentare:
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Die veröffentlichten Kommentare geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Gustav Rosa: 26. Oktober 2015 - 01:13 Uhr

    Es war mit Sicherheit kein Zufall, dass zwei prominente Lokalpolitiker aus dem Elsass in Deutschland über die Frage "Was kommt nach Fessenheim" debattieren. Auch wenn die Zahlen und Argumente der Franzosen die alten Klischees bedienten - es gab neue Untertöne, die man vorher noch nie gehört hatte. So sagte Charles Buttner mehrmals, er sei für eine Stilllegung der Atomreaktoren im AKW Fessenheim, und er sei sich der Gefahr bewusst, dass im Falle eines GAUs das größte Grundwasserreservoir Europas atomar verseucht sein wird. Bedingung natürlich Ersatz bei der Energieversorgung und Sicherung der Arbeitsplätze.
    Auch Claude Brender hörte aufmerksam zu und gab überraschend ehrliche Antworten auf unangenehme Fragen. So zum Beispiel über den sogenannten „Liquidator“ Jean-Michel Malerba, der Hausverbot im AKW habe und von dem zurzeit jede Spur fehle.
    Schade, dass alle deutschen Bürgermeister keine Zeit für diese Veranstaltung gefunden hatten. Vielleicht denken sie auch darüber nach, auf diese Frage bei einer kommenden Veranstaltung im Elsass ein paar Antworten vorzuschlagen...


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