BREISACH. "Nichts gehört der Vergangenheit an", heißt es in dem Dokumentarfilm über Fritz Bauer. Das Porträt schildert die Anstrengungen des Juristen, im noch von NS-Kadern durchsetzten Nachkriegsdeutschland für Recht zu sorgen. Sein größter Erfolg war, dass es von 1963 bis 1968 zu den drei Auschwitz-Prozessen in Frankfurt kam. Bauer trug auch maßgeblich zur Verhaftung von Adolf Eichmann bei.
Auf Einladung des SPD-Ortsverbandes Breisach wurde der im November 2010 erschienene Film in den Engel-Lichtspielen gezeigt. Wilhelm Güde ergänzte das filmische Dokument als mittelbarer Zeitzeuge.
Sein Vater, der frühere Generalbundesanwalt und spätere Bundestagsabgeordnete Max Güde, war mit Bauer gut bekannt gewesen und hatte am Zustandekommen der Prozesse am Rande mitgewirkt. "Das Leben und Werk Bauers wird in diesem gelungenen und aufwühlenden Film treffend dargestellt", bescheinigte Güde, ehemals Vorsitzender Landesrichter am Landgericht Freiburg, der Regisseurin Ilona Ziok. Ihm gefielen vor allem die zahlreichen Originalausschnitte mit dem gebürtigen Schwaben aus einer Fernsehsendung von 1964: "Hier kommen seine knorrige Sprache und das überzeugende Auftreten gut zum Ausdruck."
Bauer stammte aus einem wohlsituierten jüdischen Elternhaus. Bereits als 11-Jähriger habe er sich ein Schild gebastelt, auf dem er sich als Oberstaatsanwalt bezeichnete. Als Jude und Sozialdemokrat geriet er nach 1933 ins Visier des NS-Staates und wurde 8 Monate lang in einem Konzentrationslager inhaftiert. Später emigrierte er nach Skandinavien und kehrte 1949 nach Deutschland zurück.
Lediglich an dem Titel des Films störte sich Güde. "Fritz Bauer – Tod auf Raten" suggeriere, dass sich der 1968 verstorbene hessische Generalstaatsanwalt das Leben genommen habe. Dabei seien die Umstände seines Todes nie aufgeklärt worden. Bauer starb im Alter von 65 Jahren in seiner Badewanne. Erlitt der vielbeschäftigte, unter starkem Druck stehende Mann einen Herzstillstand? Auch Fremdverschulden ist denkbar.
Warum die zuständige Staatsanwaltschaft seinerzeit keine Obduktion beantragte, verwunderte nicht nur in Juristenkreisen, denn Bauer hatte seit Beginn der Auschwitz-Prozesse immer wieder Drohungen erhalten. Weggefährten berichten in dem Film, dass die damalige Justiz noch sehr stark mit Personen besetzt gewesen war, die schon vor 1945 entsprechende Ämter innegehabt hatten. Der Wunsch nach Aufklärung sei in der jungen Bundesrepublik wenig ausgeprägt gewesen. "Zu viele Menschen hatten Angst, davon betroffen zu sein, wenn nicht persönlich, dann aber zumindest ihre Angehörigen oder Freunde", wird der "unsägliche Zeitgeist" geschildert, dem Bauer getrotzt habe. Er sei zwar kein Außenseiter gewesen und habe als Generalstaatsanwalt sicher Unterstützung bekommen, gleichzeitig aber etlichen Anfeindungen standhalten müssen.
Aufklärung der Nazi-Gräueltaten stand im Zentrum seiner Arbeit
Eine herbe Enttäuschung erlebte Bauer zwei Monate vor seinem Tod: In ihrer Konsequenz fast unbemerkt wurden die sogenannten Dreher-Gesetze verabschiedet, nach denen fortan alle Nazistraftaten mit Ausnahme von Mord verjährt waren.
"Bauer war bestimmt kein Racheengel, sondern eher eine Hebamme im Talar", charakterisierte Güde junior den Mann, der leidenschaftlich an das Recht geglaubt habe. Ihm sei es weniger um Bestrafung als vielmehr um die Aufarbeitung der Gräueltaten in der Nazizeit gegangen. Dazu habe er sich vor allem immer wieder an die Jugend gewandt, um dafür Sorge zu tragen, dass sich Vergleichbares niemals wiederholen möge.
Mehr Jugend im gut gefüllten Kinosaal hätte sich auch Lothar Menges, Vorsitzender des SPD-Ortsverbandes Breisach, bei der Filmvorführung gewünscht. Unter den dennoch zahlreichen Zuschauern befand sich der SPD-Landtagsabgeordnete Christoph Bayer. Menges bedankte sich bei dem Breisacher Rechtsanwalt Ulrich Sartorius für die Idee zu diesem informativen und bewegenden Abend sowie bei Christiane Walesch-Schneller, die sich als Moderatorin der anschließenden Diskussion zur Verfügung stellte.