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30-06-14
Rubrik: Pressebericht, Fessenheim
Straßburg / Fessenheim

Für die Stilllegung des AKW Fessenheim ist die Region schlecht gerüstet


5000 Menschen sind direkt und mittelbar von einer möglichen Schließung des AKW Fessenheim betroffen. Foto: AFP

Setzt die französische Regierung bis zu den nächsten Präsidentschaftswahlen im Frühjahr 2017 tatsächlich die Stilllegung des AKW in Fessenheim durch, wären davon 5000 Menschen betroffen.

Die Folgen für das Südelsass mit seiner hohen Arbeitslosigkeit von derzeit 10,2 Prozent wären dramatisch. Denn die Umgebung von Fessenheim – zu diesem Schluss kommt das staatliche französische Statistikamt Insee in seiner Analyse – ist aufgrund einer wenig entwickelten Infrastruktur schlecht gerüstet. Weder ein anderer Industriezweig noch der Tourismus könnten vor Ort nachfolgen. Der Landstrich zwischen Rhein und elsässischer Weinstraße ist stark agrarisch, insbesondere durch den Anbau von Mais geprägt. Um etwa im Umfeld der nächstgelegenen Städte Ensisheim, Colmar oder Mulhouse Ersatz zu finden, sind die AKW-Beschäftigten zum einen zu spezialisiert, zum anderen lässt die Arbeitsmarktentwicklung im Elsass für die bevorstehenden Jahre kaum auf Besserung hoffen.

Die Wissenschaftler des Insee haben für ihre Untersuchung Zahlen zum Arbeitsmarkt und zur Strukturentwicklung ausgewertet. Für die Behörden liefern sie ein genaueres Bild der Lage, wobei die Ergebnisse nicht wirklich überraschen. Sie könnten zumindest dazu dienen, die Folgen einer Abschaltung abzufangen. Die sozialistische Regierung hat immerhin ihre Bereitschaft zur Unterstützung signalisiert.

Was das Akw Fessenheim öffentlichen Institutionen an Steuern und Abgaben zahlt, wurde in der Aufstellung nicht berücksichtigt. Bekannt ist aber, dass die Electricité de France (EdF) allein im Jahr 2013 für Fessenheim 48 Millionen Euro Abgaben an verschiedene Behörden gezahlt hat – ein Betrag, der nach der Abaschaltung entfiele.

Wie wichtig der Stromkonzern EdF auf lokaler und regionaler Ebene ist, wird erst deutlich, wenn man die Zahl der Jobs betrachtet, die das AKW indirekt generiert. Es stehen zusätzliche 510 Arbeitsplätze bei Subunternehmern auf dem Spiel, die beispielsweise zur Wartung der Anlage herangezogen werden, aber auch Leihbetriebe und Lieferanten. Arbeitskräfte von außerhalb kommen zum Einsatz, wenn alle 12 bis 18 Monate verbrauchtes Brennmaterial ausgetauscht wird. 400 Unternehmen aus der Region heuert das AKW regelmäßig an – beispielsweise Elektriker und Reinigungsunternehmen. Sie alle wären – zu diesem Schluss kommt die Studie – im Falle eine Stilllegung existentiell bedroht.

35 Prozent der Fessenheimer arbeiten im Atomkraftwerk

Fessenheim mit seinen gut 2000 Einwohnern wäre von der Veränderung am stärksten betroffen. 35 Prozent der Dorfbevölkerung sind von einem Job im Atomkraftwerk abhängig.

Die Sorge der Belegschaft in Fessenheim und konservativer Abgeordneten aus dem Elsass, die sich gegen eine Abschaltung sträuben, scheint berechtigt: Das AKW steht, gemessen an der Zahl der Beschäftigten von 850, davon 820 in Vollzeit, an siebter Stelle der Industriebetriebe im Südelsass. Größter Arbeitgeber ist der Automobilhersteller PSA Peugeot Citroën bei Mulhouse (7600 Beschäftigte).

550 weitere Jobs hängen am Konsum der Familien. Alles in allem schaffe das Atomkraftwerk rund 2000 Arbeitsplätze, wovon ein Viertel – und dabei handelt es sich um einen überdurchschnittlichen Wert – hoch qualifiziert ist. Das Lohnniveau der AKW-Belegschaft liegt 50 Prozent über dem Durchschnitt französischer Arbeitnehmer. Und sie sind auch jünger: Ein Drittel hat das 30. Lebensjahr noch nicht vollendet. Für die Zukunft ab 2017 bedeutet das immerhin eine Chance. Je jünger, desto flexibler.
Wieviele Menschen beträfe eine Stilllegung?

Das französische Statistikamt Insee hat die Bedeutung des AKW als Arbeitgeber für das Umland und das Südelsass analysiert. 850 Menschen arbeiten derzeit im AKW – 820 von ihnen in Vollzeit. Für 400 Betriebe fungiert das AKW Fessenheim regelmäßig als Auftraggeber. Bei den Subunternehmern stehen im Falle einer Stilllegung 550 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Weitere 550 Jobs hängen vom AKW ab, weil die Beschäftigten und ihre Familien konsumieren und örtliche Infrastrukturen nutzen. 2000 Arbeitsplätze und damit Einkommen, von denen 5000 Menschen (Arbeitnehmer und ihre Familien) leben, wären bedroht.

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Online Kommentare
Die veröffentlichten Kommentare geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Irene Bleile:
30. Juni 2014 - 17:39 Uhr

    ...und wie viele wären "betroffen", wenn das Ding undicht wird oder sonst wie hochgeht?

Günther Müller:
30. Juni 2014 - 18:03 Uhr

    Und wie viele Arbeitsplätze entstehen neu bis so ein Kraftwerk zurückgebaut und entsorgt ist??? Das sind immer solche Suggestiv-Rechnungen, bei der nur ein Aspekt berücksichtigt wird.

Margitta van der Luen: 30. Juni 2014 - 19:49 Uhr

    Daher wird Fessenheim auch gar nicht abgeschaltet. Alles nur Augenwischerei.

Johannes Güntert: 30. Juni 2014 - 20:06 Uhr

    Selbst schuld, wenn man in einer absteigenden Branche arbeitet und auf das falsche Pferd setzt, dessen Ende sowas von absehbar war. Elektroingenieure werden auch woanders gebraucht. Wie war das mit dem Fachkräftemangel?

Thorsten Funk: 30. Juni 2014 - 20:33 Uhr

    Alle Rechenspiele (werden Arbeitsplätze sonst auch immer so gut "geschützt"?!) sind reine Schminke und bewusste Ablenkung: man will mit dem maroden Schatzkästchen noch weiter gut verdienen. Allerdings auf unser aller Risiko, egal an welcher Landes-Grenze, deshalb unzulässig!

Erwin Franz: 30. Juni 2014 - 21:46 Uhr

    Ich denke nicht dass die Franzosen so dumm wie ihre Nachbarn sind, das Werk abschalten und dann ihre letzten Reserven verbrennen.

Berthold Metzler: 30. Juni 2014 - 22:30 Uhr

    Das geniale an der deutschen Energiewende ist, dass die Deutschen dafür arbeiten wie bekloppt auch wenns kaum was bringt: Man muss eben auch mehr Kohle verfeuern. Die Energiewende ist ein Riesenjobmotor; sind es über 20Mrd.,was Stromkunden und Steuerzahler dafür jährlich gerne bezahlen?
    Kein Problem, wenn staatseigene Betriebe wie EnBW oder RWE den Bach runter gehen und weitere Milliarden verloren gehen. Die Beschäftigung ist so hoch wie nie und entsprechend werden Steuern "eingespült", auch von prekär Beschäftigten.
    Wie es aussieht, wenn in wenigen Jahren die letzten AKWs abgeschaltet sein sollen, ist ein anderes Thema. Man könnte vielleicht in windstillen Winternächten die Laufräder der Fitnessstudios an Generatoren anschließen, falls Fessenheim nicht ausreicht oder auch schon abgeschaltet ist.

Erwin Franz: 30. Juni 2014 - 23:25 Uhr

    Ich tippe eher darauf dass unsere Enkel sich den östlichen Ländern versklaven müssen, damit sie von dort die lebensnotwenige Energie und Rohstoffe beziehen dürfen.
    Die Rohstoffe, die wir jetzt verbrennen.

Thorsten Funk: 01. Juli 2014 - 01:52 Uhr

    ...wenn hier großspurig von "Dummheit" gesprochen wird, weil andere sich ihre Gesundheit nicht in Geiselhaft nehmen lassen wollen, zum Profit einiger: Sie scheinen, wenn Sie betagt marode Atommeiler rühmen, sich offensichtlich nicht bewusst zu sein, dass Sie hier nur "auf Kredit" Ihre lauten Reden schwingen können. Und zwar auf unser aller "Kredit". Wäre hier Tschernobyl oder Fukushima, wäre solch gewagte Rede schon verstummt, die Geschädigten damit aber noch lange nicht entschädigt! Und gleichzeitig wird "gejammert", wenn auch eine veränderte Energiewirtschaft nicht für umsonst zu haben ist. Welch ignorant dreiste und gleichzeitig schwächliche Überheblichkeit!

Gustav Rosa: 01. Juli 2014 - 06:58 Uhr

    Jammer, Jammer, Jammer!
    Wie jammerte vor mehr als 40 Jahren unser Landesvater Filbinger, dass in Baden die Lichter ausgehen würden, wenn in Wyhl kein AKW gebaut wird...
    Jammerschade auch, dass sich die Medien auf solche Meldungen stürzen und ausschweifend darüber berichten. Die Tatsache, dass die fest Angestellten im AKW quasi Beamtenstatus haben und dass, im Falle der Stilllegung, kein einziger von ihnen entlassen wird, ist keine müde Zeile wert.
    Ebenso wenig die Chance, welche eine Umstrukturierung bietet, wenn sie gewollt und umsichtig vorbereitet wird. Darüber machen sich zurzeit viele kluge Köpfe auf beiden Seiten des Rheins Gedanken. Warum will das niemand hören? Warum wird darüber kaum berichtet?
    Die Tage des AKWs Fessenheim sind gezählt! Die Zukunft einer Gemeinde (Fessenheim) liegt in der gesamten Region und heißt Energiewende. Also bitte auch weiterdenken (Bevölkerung) und weiterberichten (Medien). Statt Wohlstand für Wenige langfristige Entwicklung für viele - ohne Angst vor einem verstrahlten Dreyeckland.

irene schwarz: 01. Juli 2014 - 08:49 Uhr

    Zitat:"Die entfesselte Macht des Atoms hat alles verändert, nur nicht unsere Denkweise...Wir brauchen eine wesentlich neue Denkungsart, wenn die Menschheit am Leben bleiben will."
    Einstein

    Für manche ist es schwer umzudenken, ist alles so schön bequem, und die Kohle fließt auch weiter, gell ! Weiter so für eine "strahlende" Zukunft!

Georg Ruch: 01. Juli 2014 - 09:35 Uhr

    Das französische Statistikamt Insee hat offensichtlich nicht beleuchtet:
    - dass vermutlich mehr Menschen während des Rückbaus, der etliche Jahre dauern wird, direkt und indirekt Beschäftigung finden,
    - dass Jobs mit gleicher oder ähnlicher Qualifikation für diese Phase benötigt werden, also keine Willis mit dem Presslufthammer
    - dass die Zeit bis zur grünen Wiese durchaus genutzt werden kann, um Ersatz-Arbeitsplätze zu schaffen

    Insgesamt scheint mir der Name dieses Instituts "INSEE" etwas überholungsbedürftig. Vielleicht sollte es "NOSEE" heißen?

Robert Neumann:  02. Juli 2014 - 08:28 Uhr

    Mensch BZ, also, das ist echt ein schlecht recherchierter Artikel. Das Ding löst sich doch nicht in Luft auf. Die wirklich interessante Frage wäre doch, wie viele Arbeitsplätze beim Rückbau entstehen, vielleicht nämlich viel mehr als jetzt und das vielleicht über 20 Jahre??
    Im Spiegel stand ein Artikel über den Rückbau von Lubmin und wie lange der noch dauern wird.
    http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/atomkraftwerk-lubmin-rueckbau-abriss-und-entsorgung-eines-akw-a-969790.html


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