COLMAR. Der Streit um das baden-württembergische Gutachten zur Sicherheit der Atomkraftwerke im schweizerischen Beznau und im elsässischen Fessenheim wurde gestern in Colmar fortgesetzt. Im Oktober 2012 hatte das Darmstadter Ökoinstitut, das sich im Auftrag des Stuttgarter Umweltministeriums mit den beiden grenznahen Anlagen beschäftigt hatte, geurteilt: Das französische Akw würde in mehreren Punkten – beim Schutz vor Erdbeben, Überschwemmungen, bei der Versorgung mit Elektrizität und Kühlwasser – nicht den in Deutschland geltenden Sicherheitsanforderungen entsprechen.
Auf der französischen Seite des Rheins sorgte die Kritik aus Deutschland für erhebliche Verstimmungen. Florien Kraft, Leiter der Atomaufsicht in Straßburg, wies gestern in Colmar in der Sitzung der Überwachungskommission Fessenheim (Clis) die Ergebnisse des Ökoinstituts zurück. Darin würden lediglich die Sicherheitsvorschriften, nicht aber die Umsetzung der nationalen Regelwerke und die Kontrollpraxis in beiden Ländern einander gegenübergestellt. Zuvor hatte einer der Autoren des Ökoinstituts auf Einladung der Clis die Kernaussagen der Studie referiert. Kraft entgegnete ihm: "Sie kommen mit einem Gutachten, in dem sie sagen, wir machen eine schlechte Arbeit."
Gerrit Niehaus, Leiter der Atomüberwachung in Stuttgart, räumte ein: "Wir hüten uns davor, zu behaupten, dass deutsche Nuklearanlagen keine Schwachstellen aufweisen." Deutschland habe entschieden, die Risiken der Atomenergie durch den Ausstieg zu begrenzen. Unterdessen hat der Chef der französischen Atomaufsicht, Pierre-Franck Chevet, am Wochenende darauf verwiesen, dass der Betreiber EdF de France noch keine Vorbereitungen für die Stilllegung von Fessenheim getroffen habe. Bis 2016 will die französische Regierung das älteste Akw des Landes vom Netz nehmen.