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20-04-13
Rubrik: Pressebericht, Fessenheim, Anti-Atom
Atomkraft

Nachbesserungen in Fessenheim mit Nebenwirkungen


Die beiden Atomreaktoren des Kraftwerks Fessenheim Foto: dapd

In den kommenden Wochen lässt der französische Stromkonzern Electricité de France in Block eins seines Atomkraftwerks im elsässischen Fessenheim in einem Teilbereich die Sockelplatte verstärken. Das ruft Kritiker auf den Plan.

Der Vorgang ist nicht nur bei den Umweltverbänden am Oberrhein umstritten. Zahlreiche Experten bezweifeln, dass die Nachrüstung, wie EdF sie plant, funktionieren wird und keine neuen Risiken birgt. Der deutsche Ingenieur und Kerntechnikspezialist Dieter Majer sagt: "Ich halte es für unmöglich, die Bodenplatte zu verstärken, ohne dass die Sicherheit des Reaktors bautechnisch gefährdet ist."

Die Bodenplatten in Frankreichs Reaktoren gehören zu den dünnsten weltweit. In Fessenheim misst der Beton unter den Druckbehältern der beiden Meiler jeweils 1,5 Meter. In deutschen Meilern liegt die Stärke bei mindestens sechs Metern. Bis spätestens Ende Juni wird EdF direkt unter dem Reaktordruckbehälter in Block eins deshalb ein Auffangbecken einbauen, das über einen Kanal mit einem etwa 80 Quadratmeter großen Bereich verbunden ist. Dorthin soll nach einem eventuellen Unfall das geschmolzene Material (Corium) aus dem Druckbehälter geleitet werden. Auf einem Sechstel der Grundfläche wird zudem die Bodenplatte um einen halben Meter verstärkt. Als Vorbild dient der "Core Catcher", die Auffangvorrichtung im Reaktor EPR, der im nordfranzösischen Flamanville neu gebaut wird. Damit auf diese Weise tatsächlich ein Durchschmelzen des Gebäudebodens hinausgezögert werden kann, müsste das flüssige Corium aber kontrolliert abgeleitet werden. "Das funktioniert nur, wenn der Unfall so abläuft, wie man sich ihn vorgestellt hat", sagt Dieter Majer.

Majer hat sich im Auftrag des Trinationalen Atomschutzverbandes (Tras) mit der Sicherheit des Akw Fessenheim befasst. Noch zu Zeiten der Sarkozy-Regierung klagte der Verband auf sofortige Stilllegung des elsässischen Kraftwerks, scheiterte damit aber 2011 vor dem Straßburger Verwaltungsgericht. Die neue Regierung will Fessenheim bis Ende 2016 abschalten. Dem Tras ist das zu spät. Am 16. Mai entscheidet das Berufungsgericht in Nancy in der Sache. Zuvor dürften in Fessenheim die Arbeiten an der Bodenplatte begonnen haben.

Auch die französische Atomphysikerin Monique Sené, die im Auftrag der Überwachungskommission Fessenheim die Nachbesserungen im Kraftwerk seit Jahren beobachtet, sieht zahlreiche Risiken. Zu wenig sei über den Zustand der bald 40 Jahre alten Bausubstanz im Inneren des Reaktors bekannt. Mehr noch: "Nach der Verstärkung und damit Erhöhung des Sockelbereichs", sagt sie, "bleibt nicht genügend Raum für die Kabel zwischen Boden und Druckbehälter." Dieter Majer teilt die Bedenken. "Wenn bei einer so komplexen Anlage nachträglich Veränderungen vorgenommen werden, stimmen Berechnungen für die ursprüngliche Ausrichtung von Kabeln und Rohren nicht mehr." Nachträgliche Veränderungen in Atomkraftwerken hätten stets zu Problemen zwischen alter und neuer Technik geführt.

Bleiben als Risiken die Strahlenbelastung für die Arbeiter und die Gefahr einer Wasserstoffexplosion. Durch einen Unfall könnte Corium im neuen Auffangbereich mit Wasser in Berührung kommen. Eine gewaltige Verdampfungsreaktion wäre die Folge. Genau diese Bedenken hat auch das französische Institut für Strahlenschutz und nukleare Sicherheit (IRSN) geäußert. Die französische Atomaufsicht genehmigte EdF den Core Catcher für Fessenheim dennoch. Bei einer denkbaren Explosion könnten nach Ansicht Majers die Kühleinrichtungen am Reaktor und dessen Hülle zerstört werden. Wasserpumpen und eine Grundwasserpumpe als zusätzliche Kühlquelle, wie EdF sie in den vergangenen Monaten eingerichtet hat, seien Notfallmaßnahmen. "Sie sind nur dazu geeignet, das Ausmaß des Schadens zu reduzieren, nicht, es zu beherrschen."

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Online Kommentare

Die veröffentlichten Kommentare geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

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Ralf Veit: 20. April 2013 - 13:27 Uhr

    In meinen Augen ist das der letzte Versuch, den "todkranken Patient" noch am Leben zu halten. Für viele Menschen in der Region um Fessenheim werden sich natürlich die Lebens- und Arbeitsbedingungen bei einer Abschaltung verändern. In meine Augen ist aber die Zeit gekommen, in der man das KKW abschalten sollte. Ich weiß nicht, ob man die Risiken auch nur annähernd abschätzen kann, welche durch das Alter oder den Umbau entstehen können. Der Profit darf nicht über allem stehen. Eine Nation wie Frankreich sollte auch über die Energiewende nachdenken. Die Zeit der Atomenergie sollte langsam zu Ende gehen. Mir ist aber auch klar, dass dies kein einfacher Weg ist. Wird er aber auch nicht für unser Land sein.
    Doch jede Reise fängt mit dem ersten Schritt an.

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Markus Vonderstraß: 20. April 2013 - 17:48 Uhr

    Ich würde den Strom trotzdem aus Fessenheim beziehen, wenn ich dadurch beträchtlich sparen könnte. Immerhin kostet Strom in Frankreich nur knapp die Hälfte und wenn ich dann in den Medien höre und lese, dass Deutschland den Strom ans Ausland verschenkt und dort deswegen die Strompreise sogar sinken, während wir unter dem Deckmantel "Umweltschutz" und "Erneuerbare Energie" immer mehr draufzahlen, bekomme ich echt einen dicken Hals.

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Gustav Rosa: 20. April 2013 - 19:12 Uhr

    TRAS bleibt am Ball. Der Präsident, Jürg Stöcklin, war letzte Woche in Paris bei einer Anhörung vor dem höchsten französischen Gericht.
    Doch die Mühlen der Justiz mahlen langsam und die Atomlobby wird nicht müde, ihre Pro-Atom-Kampagne weiter auf Hochtouren zu betreiben. So lange es Leute wie meinen Vorkommentator gibt, die lieber auf "Schnäppchenjagd" gehen, als Verantwortung für heute und für kommende Generationen zu übernehmen - so lange werden Atomkraftwerke die Umwelt und die Menschheit bedrohen.
    Die jetztigen "Reparaturversuche" sind wenig sinnvoll - die Experten sprechen von unsinnig! Das AKW Fessenheim wird sie nicht lange überleben.


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