Deutschland und Frankreich sehen die Zukunft des Standorts Fessenheim als europäische Modellregion. Nach der Abschaltung des Atomkraftwerks soll ein Gewerbepark entstehen.
Diesen Freitag wird Reaktor 2 des umstrittenen französischen Atomkraftwerks Fessenheim zum ersten Mal seit Juni 2016 wieder hochgefahren. Dennoch laufen die Planungen für die Zeit nach der endgültigen Abschaltung auf Hochtouren. Bei einer Pressekonferenz am Donnerstag in Fessenheim bekräftigten Brigitte Klinkert, Departementspräsidentin des Haut-Rhin, und Dorothea Störr-Ritter, Landrätin des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald, den Willen zu einem gemeinsamen Zukunftsprojekt.
Auf deutscher Seite erkennt man die Chance "europäische Geschichte zu schreiben" und "Modellregion für andere Grenzregionen zu sein", sagte Störr-Ritter. Auf ihrer Seite sieht Klinkert gleichermaßen einen deutsch-französischen Kontext: Das Elsass ist dabei, Paris einen Sonderstatus in der 2016 gegründeten Ostregion abzuringen. Die Kooperation am Oberrhein bei der Umwandlung von Fessenheim stärke das Vorhaben.
Auf beiden Seiten hat sich seit dem Besuch des französischen Umweltstaatssekretärs Sébastien Lecornu im Januar hinter den Kulissen in deutsch-französischen Gesprächsrunden einiges getan, um dem bevorstehenden Verlust an Arbeitsplätzen, an Wirtschaftskraft und Steuereinnahmen gegenzusteuern. Beide Seiten arbeiten auf ein Gewerbegebiet hin, das nördlich von Fessenheim entstehen wird und rechtlich einen Sonderstatus erhalten soll. Die Idee sei Lecornu anlässlich seines Besuchs vorgetragen worden. "Jetzt müssen wir unseren Politikern etwas Zeit lassen, darüber nachzudenken", hieß es von französischer Seite. Klar ist, für deutsche Unternehmen wäre eine Ansiedlung nur dann interessant, wenn Frankreich – und dabei ist eben die höchste Ebene gefragt – ihnen steuerlich entgegenkäme.
Bahnbrücke soll wieder aufgebaut werden
Der geplante 200 Hektar große Gewerbepark wäre gleich mit einer dreifachen Infrastruktur angebunden. Durch seine Lage am Rhein könnten Massengüter über den Wasserweg geliefert werden. Mit einer Verbreiterung der bestehenden einspurigen Brücke zwischen Hartheim und Fessenheim gelänge die Anbindung an die französische wie deutsche Autobahn. Der Wiederaufbau der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Eisenbahnbrücke bei Breisach wäre der letzte zentrale Baustein. Eine Machbarkeitsstudie für die Bahnbrücke wollen Klinkert wie Störr-Ritter umgehend in Auftrag geben. Was die Autobrücke angeht, hält Claude Brender, der Bürgermeister von Fessenheim, einen Ausbau bis 2021 für realistisch.
Für die Umsetzung des Gewerbeparks steht ein Zweckverband nach deutschem Vorbild im Raum, so Störr-Ritter. In einem solchen Zweckverband könnten neben den Kommunen auch die Kammern Mitglied werden. Staatssekretär Lecornu wird bei seinem nächsten Besuch kommende Woche im Elsass einen halben Tag ausschließlich in Gesprächen mit den deutschen Partnern unter anderem zu diesem Thema verbringen.
So generiert die Abschaltung, jahrzehntelang ein Streitthema, schließlich Verbindendes. "Die Stilllegung erscheint mir so ungerecht wie früher", gestand allerdings der Bürgermeister von Fessenheim. Die Beziehungen mit den deutschen Nachbarn seien jedoch immer gut gewesen, wenn sie nun etwas für die Zukunft der Region bewirken könnten, sei dies willkommen.
Zum Artikel aus der gedruckten BZ vom Fr, 06. April 2018: