491. Montagsdemo in Breisach.
Bei 28° C kamen eine Stunde früher, also schon um 17 Uhr, 75 namentlich bekannte Atomkraftgegner und weitere ca. 25 Besucher aus Südbaden und dem Elsass (11 x SPD, 4 x ULB, 5 x Grüne, 11 x Elsass) auf den Neutorplatz.
Wolfgang eröffnete die Mahnwache mit einem Musikstück. Dann heulte die Sirene und Gustav begrüßte die Anwesenden:
Hallo Breisach, hallo Südbaden, salut l'Alsace,
wir sind heute, an diesem herrlichen Spätsommernachmittag, eine Stunde früher hier auf dem Neutorplatz in Breisach zusammengekommen, um ein Mal mehr ein Zeichen gegen Atomkraft und für eine strahlende aber unverstrahlte wirtschaftliche Weiterentwicklung in unserer Region zu setzen. Am 29.06.2020 sind mit der Abschaltung von Reaktor II und der damit besiegelten endgültigen Stilllegung des Atomkraftwerks Fessenheim die Weichen für eine neue Ära gestellt worden. Ein Erfolg für uns alle, Protestbewegung, Politik, Wirtschaft und Kirchen, den wir für uns, aber vor allem für die Umwelt und für die kommenden Generationen erreicht haben.
Damals wie heute haben wir unserer großen Erleichterung und Freude freien Lauf gelassen. Damals wie heute betonen wir: Das ist keine Siegesfeier, das ist ein Versöhnungsfest. Wo uns früher die Atomkraft gespalten hat, soll uns ab sofort die Gestaltung einer lebenswerten Zukunft wieder zusammenbringen. Getreu dem Motto: „Wir sprechen zwar zwei Sprachen aber mit einer Stimme!“
Jetzt sind wir alle gefordert. Und dazu passen die jüngst wiederaufgelebten Diskussionen um den Neubau eines so genannten Technocentres in Fessenheim gar nicht. Und dafür wollen wir - wie schon gesagt - ein weiteres deutliches Zeichen setzen: Deutsche und Franzosen hier am Oberrhein, und gerne auch die Nordschweizer rufen auf: „Vive l'Alsace sans nucléaire !“ / „Für ein strahlungsfreies Dreyeckland!“
Dazu werden die nachfolgenden Redner ihre Statements abgeben. Leider hat niemand von den obersten politischen Stellen (dem Regierungspräsidium, den Umweltministerien in Stuttgart und Berlin) Zeit gefunden, dies hier und heute persönlich anzusprechen. Wir wissen aus zurückliegenden Aussagen, dass von der deutschen Politik für das Technocentre weder Bedarf gesehen noch irgendeine Beteiligung angestrebt wird. Am frühen Nachmittag hat mich dann auch eine E-Mail aus dem Umweltministerium in Berlin erreicht mit der klaren Aussage: „Die Haltung des Bundesumweltministeriums hat sich nicht geändert.“
Auch wird auf breiter Front eine große Bereitschaft für die anstehenden Post-Fessenheim-Prozesse signalisiert.
Bevor wir weiter in unserem Programm fortfahren, singen wir gemeinsam unser „Mahnwacherlied“, das die Tradition des Widerstands von Marckolsheim und Wyhl fortsetzt und unsere bisherigen 490 Montagsmahnwachen symbolisiert: „Die andere Wacht am Rhein“. Die Texte sind ausgeteilt. Bitte achtet darauf Abstand zu halten und eure Nachbarn nicht anzupusten.
Die andere Wacht am Rhein (Version 14.09.2020).
Danke euch fürs Mitsingen. Ich hoffe, die Botschaft kommt an.
Wir (Suzy, Lucien und ich) waren in den vergangenen Jahren des Öfteren in seiner Sprechstunde und haben immer sachliche und zielführende Diskussionen führen können. Ich persönlich bin überzeugt, dass diese (Zusammenarbeit ist wohl nicht das richtige Wort - also nennen wir es Kooperation), dass diese Kooperation die Entscheidungen in Paris mit beeinflusst hat. Vor allem die guten Beziehungen zu der Lokalpolitik auf der anderen Seite des Rheins sind der Grundstein für das Anlaufen der Post-Fessenheim-Prozesse (Bahnlinie Freiburg-Colmar, Gewerbepark usw.). Aber das kann uns Bürgermeister Oliver Rein bestimmt besser sagen.
Ansprache Oliver Rein (Bürgermeister).
Ansprache Lucien Jenny (CIVI):
Hallo an alle Mitstreiter die heute an dieser 491-sten Mahnwache teilnehmen.
Heute werde ich im Namen der CIVI ein kleines Geschenk an O. Rein übergeben für die Hilfe und Unterstützung, die er an unsere Bewegung, seit Jahren, gibt.
Selbst Jean Rottner (président der Région Grand Est) musste zugeben bei der Commision d’enquête parlementaire, dass die Deutschen von der untersten (also hier) bis zur höchsten (also Kantzlerin) Ebene sich für die Schließung stark gemacht haben.
Das war sehr wichtig für uns im Elsass, weil wir von unseren Politikern keine Hilfe bekommen haben … Ganz im Gegenteil :
Ihre Amtskollegen Claude Brender und Michel Habig haben es bei einer Abstimmung für die besten Atompapageien mit gleicher Punktezahl auf Platz eins geschafft !
Wie die Atomlobby wollten sie nur, dass das AKW weiterläuft - noch 20-30 Jahre.
Dieser Gegenwind fûr die Schließung war für uns ein Problem!
Und von diesem Problem kann keine gute Lösung für die Prozesse Post-FSH entstehen.
Ein kleines Beispiel von den Schikanen, die uns getroffen haben :
Im August 2019 habe ich mit Kollegen eine kostenlose Studie über die Machbarkeit einer Sonnenenergie Anlage auf dem Kultur Centrum “ArtRhena” angeboten.
Ich habe zweimal nachgefragt und bis heute keine Antwort bekommen !
Was hat das zu bedeuten : Nur kein Interresse oder etwas anderes ?
Das wäre doch ein gutes und sehr sichtbares Zeichen gewesen, dass sich auch das Elsass auf den richtigen Weg macht …
Also, noch einmal vielen Dank fur eure Unterstützung
Hier ein Korb mit verschiedenen typisch elsässischen Bio-Produkten, die Sie genießen können.
Im Dreyeckland wäre das ganz anders geworden, wenn in FSH etwas schief gelaufen wäre!
Jetzt war eine Ansprache aus dem Elsass geplant. Leider war es nicht möglich, jemanden aus der Lokalpolitik oder aus der Wirtschaft zu motivieren, hier aufzutreten. Es gibt einige Beispiele, wie einzelne Kommunen und Firmen im Elsass auch ohne Atomenergie gut zurechtkommen. Ein Besuch in Ungersheim beweist das. Hier haben engagierte Bürger, Bauern und Unternehmer mit aktiver Unterstützung des Bürgermeisters eine Mustergemeinde aufgebaut.
Ich kann euch versichern, dass auch bei den Montagsmahnwachen in Breisach Kontakte stattgefunden haben. Kleine Unternehmen haben sich ausgetauscht und auch politisch Aktive haben mit diskutiert. Wir sind nicht das kompetente Gremium dafür, versuchen aber auch in dieser Richtung unterstützend aufzutreten.
So bitte ich jetzt Gabi Rolland, unsere SPD-Landtagsabgeordnete in Stuttgart, vors Mikrophon. Sie beschäftigt sich schon lange mit der Thematik AKW Fessenheim und steht auch in engem Kontakt zum Umweltministerium aus Berlin. Liebe Gabi, was gibt es Neues aus Stuttgart und Berlin?
Ansprache Gabi Rolland (SPD, MdL)
Jetzt möchte ich euch Dr. Georg Löser vorstellen. Die meisten von uns kennen ihn, steht er doch schon seit Jahrzehnten an unserer Seite, zusammen mit vielen anderen von Wyhl bis Fessenheim, von den Sasbacher und Freiburger Solarausstellungen bis gegen Uranbergbau z.B. in Kanada und für die Energiewende bei uns. Nach über 20 Jahren beim BUND Landes- und Bundesverband ist er seit 2002 Vorsitzender des gemeinnützigen Vereins ECOtrinova. Er leitet dort das SAMSTAGS-FORUM REGIO FREIBURG. Das startet bald mit den Schwerpunkten: Energiewende - Atomausstieg - Klimaschutz und nachhaltige Stadtentwicklung in die 30. Gemeinschaftsserie. Der Wirkungskreis ist keineswegs auf Freiburg begrenzt, sondern erstreckt sich - wie das Vereinslogo zeigt - rheinüberschreitend über unsere Region und darüber hinaus. So wird er am Samstag, dem 26.09.2020 in Freiburg die Konferenz "Region im Risiko: Atomenergie bedroht die Region weiterhin" moderieren. Schwerpunkte sind Fessenheim: hochaktiver Atommüll, Rückbau, keine Atomschrottfabrik! Und die gar nicht weit entfernten Risse-Reaktoren Beznau und,Leibstadt. Dazu ist eine Anmeldung erforderlich über die Webseite von ECotrinova. Interessierte können dies im Laufe der Mahnwache hier tun.
Begrüßt mit mir Dr. Georg Löser von der ECOtrinova aus Freiburg.
Ansprache Dr Geog Löser (ECOtrinova)
Jetzt haben Protestbewegung, Politik und Wirtschaft gesprochen. Wir wollen jedoch die Schöpfung nicht vergessen. Ich erinnere an die beeindruckende Wirkung des ökumenischen Gottesdienstes anlässlich unserer 400. Mahnwache, am 17.12.2018 im Breisacher Münster. Heute kann die evangelische Kirchengemeinde schlecht Stellung beziehen. Das neue Pfarrerehepaar ist erst seit zwei Wochen im Amt. Münsterpfarrer Werner Bauer hat sich spontan bereit erklärt, uns seine Gedankengänge zur Situation in Fessenheim zu schildern. Bitte begrüßt mit mir den Münsterpfarrer Werner Bauer.
Ansprache Werner Bauer (Münstepfarrer)
Am Anfang der Protestbewegung standen eigentlich die Umweltverbände. Antiatom-Urgestein Axel Mayer war dann auch über viele Jahre hinweg als Geschäftsführer des BUND südlicher Oberrhein eine prägende Figur. Unter ihm hat der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland eine führende Rolle innerhalb der Widerstandsbewegung im Dreyeckland erfahren. Seit Jahresbeginn hat nun Stefan Auchter seine Position übernommen. Er wurde von Anfang an in unsere Aktionen mit eingebunden und stand auch anlässlich der Abschaltung von Reaktor I und anschließend von Reaktor II in vorderster Front. Auch für heute hat er spontan zugesagt, über die umweltrelevanten Aspekte, die jetzt in Fessenheim anstehen, zu referieren. Herzlich willkommen Stefan Auchter vom BUND.
Ansprache Stefan Auchter (BUND)
Gerne hätten wir persönliche Statements aus dem Umweltministerien aus Stuttgart und Berlin gehört. Gabi Rolland hat dazu schon ein paar Anmerkungen gemacht. Jetzt wird Jürgen Langer, langjähriger Stadtrat bei der ULB und aktives Mitglied bei Bündnis 90 / GRÜNE, ein paar Sätze sagen.
Ansprache Jürgen Langer (ULB + Bündnis 90 / GRÜNE)
Auch bei Tobias Pflüger haben wir angefragt. Er ist Mitglied der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung und setzt sich aktiv für unsere regionalen Belange Helios-Kliniken und AKW Fessenheim ein. Berlin ist weit, aber die neu gegründete Gruppe Links am Kaiserstuhl steht mit dem Bundestagsabgeordneten in regem Kontakt. Rolf Seifert wird uns die Positionierung der LINKEN vortragen.
Ansprachen Rolf Seifert (Links am Kaiserstuhl) und Elena Pantelidis (für Tobias Pflüger MdB)
Was wäre die Protestbewegung im Elsass ohne stop fessenheim, aktuell die aktivste Organisation im Elsass. Jetzt wird deren Präsident André Hatz zu uns sprechen. Mit ihm habe ich am 29.06.2020 um 18:00 Uhr die Atomkraft symbolisch über Bord (über das Brückengeländer in den Rhein) geworfen. Heute hat er den weiten Weg aus Gertwiller angetreten. Herzlich willkommen mein Mitstreiter und Freund André.
Ansprache André Hatz (stop fessenheim alsace), Übersetzung Ute Mössner
Abschlussrede Gustav Rosa (Mahnwache Dreyeckland)
Liebe Mitstreiter,
es ist spät geworden. Wir haben ein anspruchsvolles Programm hinter uns. Wir haben versucht es ausgewogen zu gestalten. Ich persönlich bedaure es sehr, dass heute nicht deutlichere Präsenz aus dem Elsass gezeigt wurde. Ich kann euch aber versichern, dass wir in sehr engem Kontakt zu unseren Nachbarn stehen. Dies gilt sowohl für die Protestbewegung als auch für die Lokalpolitik. Ebenfalls kann ich voraussagen, dass es vor und hinter den Kulissen viele Aktivitäten gibt, die darauf ausgerichtet sind, unsere Zukunft auf allen grenzüberschreitenden Gebieten non-nucléaire zu gestalten.
Andererseits "menschelt" es - wie überall im Leben - auch bei uns. Mag die Kritik an uns bei einzelnen Punkten durchaus gewisse Berechtigung haben - das rechtfertigt noch lange nicht die Zusammenarbeit und Kooperation insgesamt zu verweigern.
Die Mahnwache Dreyeckland hat nie Ansprüche erhoben, die Wahrheit mit dem Löffel gefressen zu haben. Es hat sich einfach so ergeben, dass die günstige Lage (Breisach liegt mitten im Einzugsgebiet zwischen Schwarzwald und Vogesen, Offenburg und Basel), die Grenznähe und nicht zuletzt die Regelmäßigkeit unserer Mahnwachen dazu geführt haben, dass der Neutorplatz nunmehr seit 491 Wochen ohne Unterbrechung für alle Protagonisten einen Treffpunkt bietet, wo konfessions-, partei- und grenzüberschreitend aktuelle Sachthemen diskutiert und anstehende Aktionen vorbereitet werden können. Wir danken allen, die dieses Angebot wahrgenommen haben.
Für die heutige Veranstaltung danken wir den Behörden für die unbürokratische Genehmigung, diese Veranstaltung zu verlängern, der Stadt Breisach am Rhein für die aktive Unterstützung, die rege Kooperation und den kostenlosen Stromanschluss, den Musikern Wolfgang Gerbig, Gerd Ohligschläger, Thomas Wassilitschenko und Roland Burkhart (Buki), sowie Eckart Zöllner an der Drehorgel, für ihre selbstlose Bereitschaft uns musikalisch zu begleiten, den vielen helfenden Händen bei den Vorbereitungen, dem Auf- und Abbau usw., allen Rednern für ihre wertvollen Beiträge, den Medien für ihr Interesse und nicht zuletzt allen Besuchern. Ich hoffe, wir konnten mit unserer bescheidenen Aktion heute ein weiteres Signal setzen, gegen Atomkraft und für eine ökologische, klimafreundliche, erfolgreiche wirtschaftliche Neuorientierung und lebenswerte Zukunft hier, in unserem wunderschönen Dreyeckland.
Jetzt lassen wir die 491. Montagsmahnwache gemütlich mit Musik und weiteren Gesprächen ausklingen. Vorher bekräftigen wir noch ein Mal klar und deutlich:
"Kein Technocentre in Fessenheim!" "Vive l'Alsace sans nucléare !" und "Für ein strahlungsfreies Dreyeckland!"
Vive l'amitié franco-allemande !
Unsere nächste Mahnwache findet am 21.09.2020 statt.
Text und Fotos: Gustav Rosa - SPD-Breisach und Irmgard Orthmayr - privat